Sie wollten das Leben und die Schönheit des Alltags in Bilder fassen, die Stilllebenmaler des 17. Jahrhunderts: Blumensträuße in Vasen, Früchte auf reich gedeckten Tischen. Zugleich verbanden sie mit diesen Naturphänomenen Botschaften – das Welken verwies auf das Vergehen jeden Lebens, die weiße Lilie stand für die Unschuld. Nature morte nannten die Franzosen diese Malerei – tote Natur, was nur bedingt zutrifft, enthalten derlei Gemälde doch in den meisten Fällen Blüten in ihrer vollsten Pracht, also einen Inbegriff des Lebens. Die Skulpturen des Freiburgers Bruno Feger zeigen eben diese Doppelsinnigkeit: florale Stillleben aus Stahl.
Man erkennt, welche Pflanzen Bruno Feger nachbildet. Es ist die Calla, die Tulpe, es sind Gräser. Auf den ersten Blick, zumal aus einiger Entfernung, scheint ihm,von der Größe einmal abgesehen, sogar eine täuschend echte Nachahmung gelungen zu sein, doch darauf kommt es ihm nicht an. Da seine Blüten aus Metall sind, also einem toten, starren Material, wie es der lebendigen Natur entgegengesetzter kaum mehr sein kann, ist sogleich deutlich, dass hier eine Kunstwelt geschaffen wurde, eine Gegenwelt zu der der Natur. Während die Stilllebenmeister des 17. Jahrhunderts danach wetteiferten, die Blüten so täuschend echt zu porträtieren, wie sie es nur vermochten, macht Feger keinen Hehl daraus, dass seine Blüten nicht gewachsen, sondern hergestellt sind. Seine Tulpen sind eindeutig Artefakte, nicht nur wegen ihrer Größe. Aus kleinen Metallplättchen hat Feger die Blütenblätter zusammengeschweißt, und die Schweißspuren sind deutlich zu sehen. Aus der Nähe betrachtet wirken seine Arbeiten eher wie die metallenen Körper von Sportflugzeugen, nicht wie naturgewachsene lebende Wesen.
Feger baut seine Plastiken buchstäblich aus kleinen Teilen auf, er geht additiv vor im Unterschied zur Natur, deren Wachsen sich organisch natürlich entwickelt – und doch ist er mit dieser seiner Bauweise der Natur so fern nicht, schließlich gibt es auch dort Netzstrukturen, es gibt den Aufbau aus einzelnen Zellen.
Fegers Arbeiten regen immer zum Weiterdenken an – und das ist nicht selten symbolischer Natur. Strahlend rot sind die Tulpenblüten, und wenn er sie auf geschwungenen grünen Stahlrohren wie auf überdimensionalen Blütenstängeln in die Höhe ragen lässt, dann scheinen sie von unendlichem Leben beseelt, doch jeder Blüte wohnt auch ihr Verfall inne – in der Ausstellung in Schwäbisch Gmünd hat Feger daher das Memento mori in die Präsentation einfließen lassen. Stängel und Blüten liegen nebeneinander auf dem Boden. Seine Callablüten hat er nicht weiß gespritzt, sondern in ihrer graubläulichen Metallfarbe belassen. Hier ist von vornherein ersichtlich, dass es sich um Kunstobjekte handelt.
Fegers Stahlblüten sind ein Widerspruch in sich: Die aus Stahl geschweißten Objekte sind starr, dennoch wirken sie geradezu lebendig, die riesigen Gräser scheinen sich im Wind zu wiegen. Ist den Blüten in der Natur nur eine kurze Zeit beschieden, sind Fegers Blüten nahezu unzerstörbar, sie welken nicht, sie scheinen vor Lebenskraft zu strotzen, ohne dass ihnen auch nur ein Funken natürlichen Lebens eignete.
„Augenblick, verweile doch“ hat Feger, Goethes Faust zitierend, seine Ausstellung betitelt – und drückt damit den Wunsch des Menschen aus, dem Vergehen entgehen zu können, denn der Gedanke an das Absterben lässt sich angesichts seiner Arbeiten nicht verdrängen. Manchmal gelingt es Feger, das Blühen und Vergehen in einem einzigen Objekt Symbol werden zu lassen, indem er eine Hagebutte gestaltet. Strahlend rot, prall in der Frucht, ist sie doch die letzte Stufe der Rosenblüte, bis auch sie vom Stängel fällt und auf dem Boden verrottet. Fegers Blüten sind Auseinandersetzungen mit der Zeit – dem Vergehen setzt er ein dauerhaftes Innehalten entgegen: Ihr Material, das Metall, symbolisiert die Ewigkeit, die gestaltete Form, die Blüte, baldiges Ende.
Aber es ist ein Ende, das Zukunft in sich birgt, denn aus der verwesenden Frucht entsteht die neue Pflanze. Im Zentrum des Ausstellungsraums steht ein Apfelbaum. Ein einziger, rot leuchtender Apfel hängt an den Zweigen. Der Gedanke an den biblischen Baum der Erkenntnis drängt sich auf – auch er ein Phänomen mit zwei Seiten, bedeutete er doch das Ende des Paradieses, zugleich aber auch den Beginn des menschlichen Lebens auf der Erde.
Fegers Plastiken sind ein in Metall gefasstes Stirb und Werde. Es gibt das eine nicht ohne das andere; das ist deprimierend und tröstlich zugleich.
„Bruno Feger. Augenblick, verweile doch“. Galerie im Prediger, Schwäbisch Gmünd bis 26.11.2017