Vielleicht war es Unkenntnis, vielleicht der Wunsch, administratorische Ordnung im fernen Süddeutschland herzustellen: Jedenfalls wurden die Städte Mengen, Munderkingen, Saulgau, Riedlingen und Waldsee in den habsburgischen Kanzleien in Wien als Donaustädte geführt, auch wenn nur zwei von ihnen an diesem Fluss liegen. Aber auch die Städte dürften sich zumindest als eine Art Einheit gefühlt haben, denn gemeinsam kauften sie sich von dem Truchsessen von Waldburg los, an den die Habsburger sie verpfändet hatten. Eine Ausstellung in der Städtischen Galerie in Bad Saulgau erinnert an diese Zeit und macht deutlich, dass es den Städten, auch wenn die Habsburger immer wieder versuchten, in ihre Belange einzugreifen, nicht schlecht ging, denn es blühte die Kunst.
Josef Anton Mesmer, Bildnis Franz Jakob Blaicher, 1780
Und die Künstler, die entweder aus den Städten stammten oder sich in ihnen niederließen, verstanden ihr Handwerk. Die Ausstellung ist ein Augenschmaus. Vor allem wenn sie die Honoratioren der Städte porträtierten, die derlei Gemälde als Beweis ihrer sozialen und materiellen Stellung anfertigen ließen und sich daher in ihren besten und teuersten Gewändern präsentierten, zeigten sie ihr malerisches Können in Details und in der stupenden Wiedergabe von stofflichen Valeurs. Wie Josef Anton Mesmer 1780 das Jabot auf seinem Porträt des Saulgauer Stadtammann Franz Jakob Blaicher wie aus feinster Gaze auf die Leinwand brachte, ist meisterlich.
Das Bild entstand bezeichnenderweise gegen Ende des 18. Jahrhunderts, zu einer Zeit, da die führenden Bürger zumal in Städten wie Saulgau über Einfluss und Vermögen und daraus resultierend Selbstbewusstsein verfügten. Das war noch wenige Jahrzehnte zuvor ganz anders. Da fanden sich derlei bürgerliche Motive kaum, da dominierten religiöse Bilder, denn die wichtigsten Auftraggeber waren nicht die Städte, sondern die Klöster, die neben ihren Haupthäusern auch zahlreiche Pfarrkirchen betreuten. Und da die katholische Kirche nach dem Konzil von Trient im Zuge der Gegenreformation die Bevölkerung vor allem emotional mit der Heilsgeschichte und den Geschicken der Kirche identifizieren wollte, dominierten vor allem Bilder von Heiligen.
Franz Joseph Spiegler, Münster Zwiefalten, Fresko Langhaus, 1751
Hier ragten insbesondere die Künstler heraus, die große Aufträge für die Ausgestaltung der Klöster hatten, wie Franz Joseph Spiegler, der grandiose Fresken für das Münster Zwiefalten schuf. Seine Lebensdaten weisen ihn denn auch als typischen Vertreter dieser vor allem für die Kirche arbeitenden Künstlergeneration aus: 1691 bis 1757. In dieser Zeit hatten die Klöster auch noch genügend Mittel für derlei Prunkprojekte, was sich nach den Reformen des für die Region zuständigen österreichischen Kaisers Joseph II. änderte, der den Klöstern drastische Einschränkungen aufzwang. Nach der Säkularisation 1806 war es dann für die inzwischen durch Napoleon an Württemberg gefallene Region in Sachen Kirchenkunst zu Ende.
Insofern war es für die Künstler lebensnotwendig, dass das Bürgertum zunehmend an Statur und Einfluss gewann. Entsprechend veränderte sich auch die Darstellungsweise. Immer stärker trat das Interesse an der Alltagswelt in den Vordergrund.
Johann Georg Sauter, Oberschwäbischer Jahrmarkt, 1836
Das floss bereits in so manche Heiligendarstellung ein, zeigte sich aber in seiner vollen Ausprägung bei rein bürgerlichen Szenen wie dem Oberschwäbischen Jahrmarkt von Johann Georg Sauter, in dem jedes Lebensdetail erkennbar ist, alle gesellschaftlichen Sphären gleichermaßen liebevoll porträtiert sind. Manche Künstler legten höchsten Wert auf exakte Wiedergabe der Realität. Das konnten topographische Details sein wie bei der Schlacht von Elchingen von Johann Georg Volmar, die als solche nur an der Klosterkirche von Elchingen erkennbar ist, oder exakte Trachtenstudien, die Volmar zu den Schweizer Kantonen anfertigte. Volmar ist ein Beispiel dafür, dass viele dieser Künstler zwar in den Städten wohnen blieben, in denen sie sich niedergelassen hatten und wo sie großes Ansehen genossen (Josef Anton Mesmer heiratete die Tochter des Saulgauer Stadtammann Franz Jakob Blaicher, den er so würdevoll porträtierte), für Kunstaufträge aber durchaus weite Reisen unternahmen. Louis Lang aus Waldsee verschlug es sogar in die USA, wo er Vertreter der Washingtoner Regierung porträtierte, und die Amerikaner wussten, warum sie ihn damit beauftragten, denn seine bereits in Deutschland entstandenen Porträts wirken ungemein individuell und sehr persönlich.
So ist die Ausstellung neben den künstlerisch faszinierenden Bildern auch eine Einführung in die Sozialgeschichte der Künstler im 18. Jahrhundert, die sich an einer gesellschaftlichen Scheidegrenze bewegten – von der sakralen in die reale Welt. Und die Ausstellung wartet auch mit so mancher Kuriosität auf. So fand sich in Munderkingen ein Bild, das die Pfarrer der Gemeinde in Reih und Glied vorstellt. Ein jeder wurde in einem kleinen Medaillon im Auftrag seines Nachfolgers porträtiert. Einige der Medaillons sind noch leer: Es ist noch Platz für die Zukunft der Gemeinde.
„Künstler der Fünf ‚Donaustädte‘ Mengen, Munderkingen, Riedlingen, Saulgau und Waldsee“, Städtische Galerie Bad Saulgau bis 15.3.2020. Katalog 131 Seiten, 12 Euro