Woher – Wohin? Ursprünge in der Geschichte der Menschheit

Die Frage nach dem Woher hat die Menschen seit jeher umgetrieben. Kaum eine Kultur, die sich nicht Ursprüngsmythen ausgedacht hat. Bei den Griechen war die Nacht Ausgangspunkt allen Seins, Nyx, ein schwarzer Vogel, aus dessen vom Wind befruchtetes Ei Eros entstiegen sein soll. Die Sumerer hatten einen Ursprungsgott Anu zur Begattung der Erde, die Bibel berichtet von Gott, der sich als erste Aufgabe gestellt haben soll, Himmel und Erde zu schaffen. Und auch die Wissenschaften befassen sich gern mit ersten Anfängen. Eine Ausstellung im Tübinger Schloss geht nun einigen solcher Ursprünge nach, denn eines ist gewiss: Den Ursprung gibt es nicht.

Museum der Universität Tübingen MUT/Valentin Marquardt

Ein Steinbrocken macht den Anfang des Ausstellungsparcours, und mit ihm ist man tatsächlich bei den eigentlichen Anfängen. Es ist ein Meteorit, der zwar erst 1969 auf die Erde gefallen ist, aber zu den ursprünglichsten Stoffen des Sonnensystems gehört. Besonders faszinierend: Er enthält zahlreiche Aminosäuren, ohne die unser Leben auf der Erde nicht möglich wäre, er enthält sogar ungleich mehr von ihnen, als unser Organismus verwendet. Diese lebenswichtigen Grundstoffe existieren also auch in extraterrestrischen Materialien, was der Fantasie reichlich Nahrung geben kann. Das Alter solcher Meteorite: viereinhalb Milliarden Jahre.

Ein genauer Zeitpunkt für derlei Usprünge lässt sich naturgemäß nicht angeben. So findet sich im Kapitel Aufrechter Gang das Skelett von Lucy in einer Nachbildung (genauer: die Knochen, die man gefunden hat) – eines der ersten Beispiele dafür, dass Lebewesen den aufrechten Gang beherrschten, was freilich nicht heißen soll, dass es nicht auch schon vor Lucy (vor ca. drei Millionen Jahren) Lebewesen gegeben haben kann, die des aufrechten Gangs fähig waren, nur ist Lucy eben das Exemplar, das wir als Beleg haben.

So wie man auch nicht davon ausgehen kann, dass die Menschen vor ca. 20.000 Jahren durchweg friedlich gewesen seien, nur weil die Wissenschaft den Ursprung des Phänomens Krieg in die Zeit 15.000 Jahre vor uns datiert. Krieg also hat es zumindest seit dieser Zeit unter den Menschen gegeben, und weil die Frage nach einem Ursprung stets auch eine Reflexion unserer Situation heute beinhaltet, präsentiert die Ausstellung neben einigen Speeren als frühe Waffenform auch moderne Gewehre zur Vernichtung von Leben, und als die Menschen sesshaft wurden und Haus und Hof gründeten – rund 5000 Jahre nach der „Erfindung“ des Kriegs -, Ackerbau betrieben und dauerhaften Besitz schufen, nahmen kriegerische Tatetn zu, denn Besitz erweckt Neid.

 

Museum der Universität Tübingen MUT/Valentin Marquardt

Erfreulich ist die Tatsache, dass die Menschen schon vor dem Krieg die Kunst erfunden haben. Belegt wird das Phänomen mit Funden auf der Schwäbischen Alb. Eine aus einem Geierknochen geschnitzte kleine Flöte lässt auf musikalische Interessen schließen, kleine Tierskulpturen aus Elfenbein auf bildnerische. So geschehen vor 40 000 Jahren.

Sehr dicht am tatsächlichen Ursprung dürfte sich die Austellung im Kapitel Schrift bewegen, denn dieses Phänomen kam vor rund 5000 Jahren auf, und das älteste Exponat der Ausstellung in diesem Zusammenhang stammt aus genau dieser Zeit.

Nicht immer sind die Exponate derart treffend, schließlich stammen sie alle aus dem Fundus der Tübinger Universitätsinstitute. So begegnen wir für den Anfang der Demokratie nicht Solon, der als Begründer dieser Staatsform gilt, sondern den Köpfen von Sokrates, Platon und Aristoteles, denn sie befinden sich in der Abgusssammlung des Instituts für Klassische Archäologie.

Die Ausstellung mit ihrer Suche nach unterschiedlichen Ursprüngen gleicht einer Geschichte durch die Menschheitsentwicklung in riesigen Schritten. Da darf auch der Mann nicht fehlen, der den Bergriff „Ursprung“ in den Titel seines epochalen Werks gesetzt hat: Charles Darwin, dessen Hauptwerk über die Entstehung der Arten On the Origin of Species heißt – eine Theorie, deren Richtigkeit ein Tübinger Forscher nachweisen konnte mit Hilfe von fossilen Schneckenfunden auf der Schwäbischen Alb. Und Darwin hatte doch Recht!

Die Ausstellung endet in unserer Gegenwart, im digitalen Zeitalter, und da kann man auch dem Phänomen wieder begegnen, dessen Ursprung die Ausstellung in die Zeit vor 3,6 Millionen Jahren angesetzt hatte: dem aufrechten Gang, diesmal in Gestalt eines Roboters, mit dem man etwa an Schulen dieses Phänomen verdeutlichen kann.

Ursprünge. Schritte der Menschheit“, Museum der Universität Tübingen, Schloss Hohentübingen bis 3.12.2017. Katalog 375 Seiten 29,90 Euro

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