Vorher – Nachher? Kunst als Zwischenwelt im Museum Art Plus Donaueschingen

Vor dem Museum Art Plus stehen dicht an dicht zwei Telefonzellen. Zwischen ihnen wölbt sich eine Art Kissen – aus Metall. „Rohrschachtelefon“ nennt Sebastian Kuhn seine Arbeit und bietet eine Einstimmung auf das, was im Museumsgebäude folgt: Eine Auseinandersetzung mit dem „“Between“, so der Ausstellungstitel, dem „Dazwischen“ – in diesem Fall der Frage: Was geschieht zwischen den Zellen, was geschieht mit denen, die versuchen in den Zellen zu kommunizieren, denn statt der Telefonapparate finden sich lediglich Neonröhren und Spiegel: Wer hier telefonieren will, ist ganz auf sich geworfen.

Ähnliche Spekulationen kann man auch vor den anderen Arbeiten des 1970 geborenen Künstlers anstellen. Was zum Beispiel ist mit den beiden Liebenden passiert, die sich offenbar in einem Bett verlustiert haben. Das Paar ist verschwunden, das Bett, in dem sich die beiden ausgetobt haben, ist geblieben, und getobt haben müssen sie, denn das ganze Schlafzimmer ist eine einzige Trümmerlandschaft. Vor Kuhns Arbeiten fragt man sich nicht selten: Was sehen wir hier, was war davor – und was muss dazwischen alles passiert sein. Einen besseren Bildhauer als Kuhn hätte man sich für eine Ausstellung mit dem Titel „Between“ nicht auswählen können.

Das Dazwischen findet sich aber auch bei Kuhns Bildhauerkollegen Gert Riel, obwohl die beiden auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Riel arbeitet mit reduzierten Mitteln, ihm genügt gelegentlich eine einzige Metallplatte, die er glänzend lackiert und dann gebogen hat. Das wäre noch nichts Besonderes, doch dann sieht man in diesen gebogenen Flächen einen kleinen Eingriff des Künstlers – einen Schnitt – und sofort wird sichtbar, was für eine Spannung sich in dem Metall allein durch die Krümmung aufgebaut hat. Durch den Schnitt löst sich die Spannung auf – aber nur scheinbar, denn nur an dieser Stelle will das harte Material wieder in die ursprüngliche Form, die glatte Fläche, zurückschnellen, wird aber von dem umliegenden gebogenen Metall in der Schwebe gehalten.Bei anderen großen schwarzen Arbeiten lässt Riel es bei einem kaum sichtbaren Knick in der Fläche bewenden, der die sich spiegelnde Fläche leicht verzerrt. So macht Riel mit kleinsten Eingriffen Kontraste wie Festigkeit des Stahl und Elastizität deutlich – Elastizität auf der einen Seite, die die Krümmung des Metalls erlaubte, und zugleich grenzenlose Spannung durch das Biegen, ein minimalistisches Gleichgewicht zwischen extremen Gegensätzen, die den Betrachter ständig auffordern, seine bisherigen Wahrnehmungsmuster zu revidieren: Ist Stahl nun hart oder formbar, ist ein elastisches Material in sich ruhend oder großem Druck ausgesetzt?

Ähnlich minimalistisch wie Gert Riel arbeitet – ebenfalls mit Metall – auch Michael Danner. Aus Federstahl bildet er Skulpturen, die unter Höchstspannung stehen – etwa einen Kreis, der genau austariert sein muss, damit er in Ruhestellung auch tatsächlich die Kreisform behält.Wäre das Stahlband etwas dicker, würde sich der Kreis zum Ei deformieren, so aber scheint er genau die dem Material angemessene Form eingenommen zu haben – einen idealen Zustand, der auch beibehalten wird, wenn man den Stahl durch einen kleinen Schubs in Bewegung versetzt: Der Kreis fängt an zu wandern – hin und her, bis er im Ruhezustand wieder zu sich findet.

Danner reduziert seine Arbeiten auf ein Minimum an Material. Manchmal genügen ihm Linien aus dünnen Eisendrähten, die durch eine Schnur in Form gehalten werden, und er kreiert auf diese Weise ein Quadrat im Raum – das der Betrachter allerdings erst mit dem Auge zu einem dreidimensionalen Kubus ergänzen muss. Damit schafft Danner zugleich Metaphern für das menschliche Leben, das sich ja auch zwischen Grundzuständen wie Spannung und Balance bewegt – „zwischen“ zwei Zuständen also. Das Sein ist ein labiler Zustand zwischen Extremen – wie bei Gert Riel Stahlplatten und bei Sebastian Kuhns Collagen aus Alltagsmaterialien, die sich, während man sie umkreist, immer anders darstellen. Etwa sein aus drei Flügeln konstruiertes Klavier. Wie so oft hat Kuhn hier vertraute Gegenstände erst in einzelne Bestandteile dekonstruiert und dann zu etwas Neuem rekonstruiert. Das wirkt, als wären die in dem Instrument kreierten Töne mit einem Urknall vor lauter Energie in den Raum explodiert, als sei am Anfang eine Bachsche Fuge erklungen; am Ende steht man vor einem Gestalt gewordenen musikalischen Desaster. Stellt sich nur die Frage: Was geschah dazwischen?

between. Michael Danner – Sebastian Kuhn – Gert Riel“. Museum Art Plus Donaueschingen bis 22.1.2017. Katalog Modo Verlag 80 Seiten, 33 Euro

 

 

 

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