Seit mindestens zehn Jahren zählt Marco Goecke zu den gefragtesten Choreographen. Allein in diesem Jahr hat der 43jährige aus Wuppertal Gebürtige bereits vier Arbeiten geschaffen – für die unterschiedlichsten Häuser: das Münchner Gärtnerplatztheater, das Nederlands Dans Theater, das Ballett am Rhein und das Stuttgarter Ballett, wo er seit zehn Jahren Hauschoreograph ist. Jetzt hat ihn die Fachzeitschrift „Tanz“ zum „Choreographen des Jahres“ gekürt. Er habe, so die Begründung, eine unverwechselbare Signatur, seine Arbeiten seien „surreal vibrierende Wunderwerke – der Zeit, des Raums, des Körpers“.
Marco Goecke. Foto: Roman Novitzky
2005 schuf Marco Goecke sein Stück „Äffi“. Es ist ein Stück für einen Tänzer, und der tut auf der Bühne Ungewöhnliches. Zur Musik von Jonny Cash lässt er den Körper in allen Gliedmaßen flattern, vibrieren. Damit hatte Goecke eine ganz neue Bewegungssprache gefunden.
„Äffi“ machte den damals Dreiunddreißigjährigen schlagartig bekannt. Natürlich steckte hinter diesem Zittern mehr als nur der Wunsch nach etwas völlig Neuem. Das Zittern, das Flattern der Hände ruft beim Betrachter Beklemmung hervor, zugleich macht er sich Gedanken über seinen eigenen Körper. Goecke holte sich die Inspiration zu einer solchen Zerlegung von Bewegungen in der Kunstgeschichte.
So wie Picasso die Figur kubistisch zerlegte, zerlegt Goecke den Bewegungsablauf. Er unterscheidet sich von anderen Choreographen aber nicht nur mit dieser hektischen, sehr kleinteiligen Bewegung. Goecke ist Minimalist. Er verzichtet fast durchweg auf farbige Akzente, ihm reicht Schwarz, Weiß, Grau. Letztlich ist Goecke ein großer Verweigerer. Und auch Handlung interessiert ihn nicht. Selbst als er sein abendfüllendes Ballett „Orlando“ nach dem gleichnamigen Roman von Virginia Woolf schuf, brachte er nicht die anekdotenreiche Geschichte auf die Bühne, sondern charakterisierte die Figuren durch ihre Beziehung zueinander. Ungewöhnlich ist auch, dass sich Goecke beim Körper des Tänzers nicht so sehr auf die Beinarbeit konzentriert, im Zentrum steht für ihn der Oberkörper. So ist eine ganz eigenständige Tanzsprache entstanden, die sich inzwischen jedoch ein wenig gewandelt hat. Vor zehn Jahren reagierte er auf die Frage, ob es nicht an der Zeit wäre, die Bewegungen nicht mehr zu sezieren, sondern wieder zusammenzusetzen, belustigt.
Inzwischen ist er längst in diese Richtung gegangen.