Nichts ist so, wie es scheint: Jörg Mandernachs bildnerische Verwandlungswelt

Mutabor“ ist das Zauberwort, mit dem sich in Wilhelm Hauffs Märchen Kalif Storch Menschen in Tiere verwandeln können und auch wieder zurück zu Menschen – wenn alles gut geht. Das Wort steht in einer Reihe mit dem „Sesam öffne dich“ aus Tausendundeine Nacht und dem „Simsalabim“ des Trickzauberers unserer Variétébühnen. Auf das Wort „Mutabor“ trifft man auch in der neuen Ausstellung von Jörg Mandernach in der Städtischen Galerie Tuttlingen – und weiß damit auch schon, worum es in Mandernachs Bildwelten geht: um Verwandlung.

Jörg Mandernach. What you see isn’t what you get, Ausschnitt. Foto: Horst Simschek

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Kunst „daheim“: Die Sammlung Kerp im Kunstmuseum Reutlingen/konkret

Man kann Kunst als Wertanlage sammeln, um kunsthistorische Epochen zu dokumentieren – oder aus ästhetischer Freude an Kunstwerken. Letzteres tat das Freiburger Ehepaar Kerp, auch wenn ihre Vorlieben zum größten Teil doch einer Kunstrichtung folgten, allerdings einer Richtung, die offenbar zeitlos ist, der konkret-konstruktivistischen. Die Erbin des Sammlerehepaars hat den größten Teil diese Sammlung dem Kunstmuseum Reutlingen für zehn Jahre zur uneingeschränkten Verwendung zur Verfügung gestellt. Das Museum präsentiert sie in einer ungewohnten Form.

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Zeitlose Malerei des 19. Jahrhunderts: Hans Thoma

Er liebte seine Schwarzwälder Heimat – Hans Thoma, 1839 in Bernau geboren – und war ganz der Malerei des 19. Jahrhunderts verpflichtet – was ihn aus heutiger Sicht leicht veraltet wirken lässt. Das ist er sicher auch, doch in einer Ausstellung in der Kunststiftung Hohenkarpfen kann man entdecken, dass auch eine solche ganz ihrer Zeit verhaftete Malerei selbst im 21. Jahrhundert ihre Faszination ausüben kann, sofern es sich um Malerei von Rang handelt. Bei Hans Thoma ist das, zumindest in seinen besten Arbeiten, der Fall.

Meernymphen, o.J., Foto: U. Schäfer-Zerbst

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Pole menschlicher Existenz: Die Passion aus der Sicht von Künstlern

Zwei sich im rechten Winkel querende Striche – ein Kreuz. Es findet sich schon in der Frühzeit der Menschen, in der Mathematik, im Straßenverkehr – und in der Religion, in der christlichen zumal an zentraler Stelle als Symbol für den Tod Christi. Dreißig Jahre lang lud die Gemeinde St. Fidelis in Sigmaringen Künstler unserer Tage zu Ostern ein, sich bildnerisch Gedanken zu diesem Anlass zu machen. Eine Ausstellung in der Kreisgalerie in Schloss Meßkirch dokumentiert diese Aktionen: „Der Tod hat nicht das letzte Wort.“

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Das Einst zum Leben erwecken: Die Kunst der Erinnerung von Julia Weißflog

Zucker, Eier, Butter, Mehl, etwas Vanille – mehr braucht es nicht für die süßen Madeleineküchlein. Durch Marcel Proust fanden sie Eingang in die Weltliteratur, denn ihr Geschmack entführt den Erzähler seines großen Romans Auf der Suche nach der verlorenen Zeit in die Welt seiner Kindheit, und sie sind nicht die einzigen Auslöser für seine Erinnerungen an die Vergangenheit. Auch eine Melodie oder der Anblick von drei Bäumen in Balbec entführen ihn in die „verlorene Zeit“. Bei der jungen Graphikerin Julia Weißflog war es das Haus ihrer Kindheitstage, wie die Ausstellung der diesjährigen Preisträgerin des Holzschnitt-Förderpreises des Freundeskreises des Kunstmuseums Reutlingen zeigt.

Scheinbar Unwichtiges XXV, 2022. Foto: U. Schäfer-Zerbst

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Rätselhafte Klarheit: Hans Peter Reuter

Es ist das vielleicht schlichteste, zugleich am eindeutigsten identifizierbare geometrische Gebilde: das Quadrat, zu dessen Konstruktion es einer einzigen Angabe bedarf: Seitenlänge oder Diagonale. Im Unterschied zu Rechteck, Raute oder Trapez ist ein Quadrat stets – frei nach Gertrude Stein – ein Quadrat ist ein Quadrat…. Der Maler Hans Peter Reuter hat es seit Jahrzehnten zur Keimzelle seines ganzen bildnerischen Schaffens gemacht – und sein enormes Ausdrucksspektrum trotz der Gleichförmigkeit demonstriert.

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Wiedergelesen: Dreimals „Mrs. Dalloway“: Michael Cunningham: Die Stunden

1925 erschien in London ein Roman, der dieser Gattung ganz neue Dimensionen erschloss. Äußerlich betrachtet geschieht nicht viel: Es geht um die Alltäglichkeiten einer kleinen Personengruppe in London nach dem 1. Weltkrieg. Dem Leser werden diese Äußerlichkeiten aber fast ausschließlich durch die Wahrnehmungen und Gedanken der einzelnen Figuren vermittelt: Die Außenwelt spiegelt sich in der Innenwelt. The Hours wollte Virginia Woolf diesen ihren vierten Roman nennen, Die Stunden, entschied sich dann aber für Mrs. Dalloway. 1998 griff der amerikanische Romancier Michael Cunningham für einen neuen Roman Woolfs ursprünglich geplanten Titel auf: The Hours, Die Stunden.

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Große Kunst in kleiner Stadt: 35 Jahre Städtische Galerie Ochsenhausen

Ochsenhausen hat nur knapp 9000 Einwohner; dass es dennoch Anziehungspunkt für Kulturinteressierte ist, verdankt es letztlich dem Zufall. Der erste war der Sage nach ein Ochse, der beim Pflügen auf einen Schatz stieß, den Nonnen auf der Flucht vor den Hunnen vergraben hatten – Ursprung des Klosters Ochsenhausen, das nicht zuletzt durch den Ehrgeiz seiner Äbte bis zur Reichsabtei mit grandiosen barocken Bauten aufstieg. Dass Ochsenhausen seit Jahrzehnten auch ein Zentrum für Freunde moderner Kunst ist, verdankt es letztlich einer Person und einem Quäntchen Glück.

Kloster Ochsenhausen, Fruchtkasten

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Das Ich und die anderen – Jiří Kyliáns One of a Kind wieder am Stuttgarter Ballett

1998 feierten die Niederlande das 150. Jubiläum ihrer Verfassung und die Regierung bat den damaligen künstlerischen Leiter des Nederlands Dans Theaters, Jiří Kylián, um eine Choreographie zu diesem Anlass. Kylián wählte als Ausgangspunkt einen zentralen Satz dieser Verfassung: Alle, die sich in den Niederlanden aufhalten, werden in gleichen Fällen gleich behandelt.“ Für ihn hieß das, dass jeder für sich unverwechselbar, individuell und als solcher zu akzeptieren ist, und so nannte er sein Ballett One of a Kind – Einzigartig.

Rocio Aleman © Roman Novitzky/Stuttgarter Ballett

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In jeder Hinsicht offen: Georgia Russells „Schnittkunst“

Ein Bild ist statisch, zweidimensional, kann Räumlichkeit allenfalls durch technische Hilfsmittel wie die Zentralperspektive andeuten. Die Schottin Georgia Russell kennt sich damit aus, sie hat an der Londoner Kunstakademie ihren Abschluss in Druckgraphik absolviert, und sie arbeitet seit rund zwanzig Jahren auch mit Flächen – bemalt oder bedruckt. Die Städtische Galerie Tuttlingen zeigt, dass das Resultat alles andere als flach ist.

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