Indirekt begegnet man ihm immer wieder. Der Name Christian Landenberger taucht in Ausstellungen so unterschiedlicher Maler wie Wilhelm Geyer, Manfred Henninger oder Oskar Schlemmer auf. Sie waren seine Studenten an der Stuttgarter Akademie. Doch seinen Bildern begegnet man eher selten, eine Einzelausstellung ist Rarität, vielleicht weil er als typischer Maler des 19. Jahrhunderts eingeordnet wird, zudem als schwäbischer Maler, also als regionale Größe. Dabei wurden zu seinen Lebzeiten seine Werke von allen bedeutenden deutschen Museen angekauft. Eine Ausstellung im Kunstmuseum Albstadt, im Stadtteil Ebingen, seiner Heimat, zeigt, dass diese Einschätzung nur bedingt richtig ist.
Nun ade, du stilles Haus 1897 © Kunstmuseum Albstadt
Natürlich stößt man bei Christian Landenberger auf typische Elemente des 19. Jahrhunderts – kein Wunder, kam er doch 1862 in der schwäbischen Provinz zur Welt. Man sieht Interieurs, die an den Realismus eines Wilhelm Leibl erinnern, mal mit Personal, mal ohne. Und bei seinem großen Gemälde Nun ade, du stilles Haus fühlt man sich an Novellen eines Joseph
Eichendorff erinnert, wo ja auch immer wieder junge Männer ihrer Heimat Lebewohl sagen. Die Figur im Vordergrund dieses Bildes mutet denn auch sehr altmodisch an. Aber lenkt man den Blick auf die grüne Wiese, in der er steht, muss man seinen ersten Eindruck revidieren. Was zunächst anmutet wie eine heimelige ländliche Genrestudie, realistisch im Duktus, romantisch verklärt in der Atmosphäre, entpuppt sich als raffinierte Komposition aus lauter Grüntönen. Da finden sich zwar noch Andeutungen von Grashalmen, doch im Wesentlichen besteht diese „Wiese“ aus bloßen hingetupften grünen Flecken aller Schattierungen.
Noch deutlicher wird das in frühen Landschaftsbildern, die häufig ganz ohne die im 19. Jahrhundert üblichen Staffagefiguren auskommen. Der erste Eindruck ist stets der einer realistisch gemalten Landschaft, doch der Blick auf die Malweise zeigt ein geradezu abstraktes Vorgehen. Landenberger baut seine Bilder nicht aus Abbildungsteilen der Realität auf, sondern ausschließlich aus Farbe. Man meint zwar immer, da einen Baum zu sehen, dort eine Buschgruppe in der Ferne, doch das alles löst sich bei genauerer Analyse in reines Farbgeschehen auf.
Das erinnert an die Malweise der französischen Impressionisten, und in der Tat ist die Palette seiner Bilder verglichen mit der seiner schwäbischen impressionistischen Kollegen wie Otto Reiniger erstaunlich hell. Aber als er diese Landschaftsbilder malte, hatte er die impressionistische Malerei noch gar nicht zu Gesicht bekommen, denn er war nicht Frankreich gewesen, und lange war diese Malerei nur dort bekannt. Landenberger hatte sich der Freilichtmalerei verschrieben, und sie führte bei ihm zu ähnlichen Ergebnissen wie bei den Malern von Barbizon, den Vorgängern der Impressionisten. Alles löst sich in Farbgeschehen auf.
Strandszene 1926 © Kunstmuseum Albstadt
Wenn er am Strand Rückenakte malte, dann sind das nicht Porträts von Rückenansichten, vielmehr heben sich die Körper ganz aus dem Ocker des Strandsandes hervor. Landenberger modelliert in seinen besten Bildern die Motive aus der Farbe heraus. Das bleibt motivisch immer im Rahmen dessen, was die Malerei des 19. Jahrhunderts prägte – badende Knaben, Wasseroberflächen von Seen, grün wogende Wiesen -, weist aber in der Behandlung der Farbe bereits ins 20. Jahrhundert hinein, ohne jedoch das Fundament des 19. zu verlassen.
Beerensucher 1894 © Kunstmuseum Albstadt
Immer wieder entdeckt man auf seinen zunächst so realistisch anmutenden Szenen Farbpunkte, die mit dem Dargestellten nichts zu tun haben und nur der Farbwirkung dienen wie etwa in dem Bild mit dem Beerensucher.
Hier zeigt sich eine „Modernität“, die mit Begriffen wie „schwäbischer Landschaftsmaler“ nicht erfasst wird, und hier liegt wohl auch die Erklärung, weshalb Christian Landenberger Lehrer von so vielen Malern war, die sich ganz im neuen Jahrhundert etablierten.
„Christian Landenberger (1862-1927). Neue Sammlungspräsentation“, Kunstmuseum Albstadt bis 16.2.2020