Licht im Dunkel: Der Maler Hermann Pleuer

Ein Gemälde gab der Kunstrichtung den Namen: Impression – Soleil levant. Claude Monet vereinte da die großen Elemente, aus denen sich der Impressionismus zusammensetzte: Den Eindruck, den die Welt im Auge hinterließ, und das Licht. Duftige Himmelsbilder entstanden auf diese Weise, helle Farben dominierten, auf Schwarz oder Dunkelbraun verzichtete man gern, alles atmete eine Leichtigkeit des Seins. Nicht so bei den Künstlern, die sich im Schwäbischen dem Impressionismus verschrieben. Hier sucht man den Himmel oft vergebens, auf ihren Bildern taucht man oft in dunkle Waldszenen ein, erdige Farben dominieren, aber auch die Technik, die Farbflächen in einzelne Farbstriche und -flecken aufzulösen. Das Museum im Prediger in Schwäbisch Gmünd zeigt einen Extremfall dieser ganz eigenen Richtung: Hermann Pleuer.

Mädchen am Fenster, 1894

Dunkler geht es kaum mehr. Kaum ein Maler dürfte so oft Nachtszenen für seine Bilder bevorzugt haben wie Hermann Pleuer, und wenn er Nacht meinte, dann war es auch Nacht. Tiefe Schwärze prägt große Teile seiner Leinwände, man muss genau hinsehen, um Figuren ausmachen zu können oder Tiere im Zoo. Pleuers Welt ist das Schattenreich – und doch spielte das Licht für seine Malerei eine große Rolle. Sein Mädchen am Fenster von 1894 wäre kaum erkennbar, fiele nicht das Mondlicht durch das geöffnete Fenster auf das weiße Nachthemd. Und auch wenn Mondlicht nie so gleißend hell ist wie das der strahlenden Sonne, bringt es hier doch den weißen Stoff geradezu zum Aufleuchten, wenn auch verhalten. Das Mädchen wird durch das Licht körperlich erst definiert – das ist ein ganz anderer Umgang mit dem Phänomen Licht, und der findet sich bei Pleuer allenthalben.

Akt im Mondschein (Nixe), 1901

Auch sein Akt im Mondschein erfährt erst durch das nächtliche Licht seine Substanz, und gerade weil der Rest des Bildes im Dunkel des Waldes versinkt, drängt es sich ungleich stärker in den Vordergrund als Licht auf den hell gleißenden Bildern der französischen Kollegen.

Das Dunkel hat allerdings auch zur Folge, dass die Farben sich nicht so flirrend in reine Partikel auflösen. Bei Pleuer ist alles sehr viel körperhaft-konkreter, und doch alles andere als realistisch. Pleuer setzt seine Bilder aus Farbvaleurs zusammen, er gestaltet mit Farbnuancen im dunklen Bereich der Palette und zeigt, wie farbig selbst schwarz sein kann. Vor allem entrückt er die Motive seiner Bilder: Seine Mädchengestalten sind keine Menschen aus Fleisch und Blut, es sind Wesen wie aus einer anderen Welt, einer Traumwelt. So fügte Pleuer dem Aktbild in Klammern denn auch das Wort Nixe hinzu. Selbst wenn er scheinbar Menschen malte – und er widmete sich gern seiner engen Umgebung, zeigte Menschen am Biertisch, porträtierte seine Stuttgarter Künstlerkollegen – eignet den Figuren etwas Übernatürliches – und so finden sich auch ungewöhnlich viele Mythenwesen auf seinen Bildern. Ein frühes Bild von 1897 zeigt eine Mänade, ein Liegendes Mädchen mit Affen ist ein inhaltliches Rätsel, Badende Frauen sind weniger Porträt als vielmehr Genrebild: eine Mondscheinidylle. Und wenn er ein Paar in inniger Abschiedsumarmung im Dunkel eines Raums gestaltet, dann ist nicht das Paar das Wesentliche, sondern das Phänomen Trauer, Verlust.

In der Maschinenhalle, 1902

Und doch ist Pleuer zugleich der große Realist unter den schwäbischen Impressionisten. Die Arbeitswelt faszinierte ihn. Reine Landschaften waren nicht unbedingt seine Stärke, doch wenn er eine Waldlichtung malte, die deutliche Zeichen von Rodung aufweist, ist er in seinem Element. Mit impressionistischem Pinselstrich malte er einen Bahnarbeiter, dessen Bauch sich deutlich über der Hose wölbt. Und es nicht zufällig ein Arbeiter bei der Eisenbahn, denn sie ist neben der Nacht das zweite große Thema seines Schaffens. Zwar gibt es auch bei den französischen Kollegen das moderne Fortbewegungsmittel, Pleuer aber gestaltete geradezu mit manischem Interesse Lokomotiven, mit Vorliebe in Schuppen, in der Werkhalle, und konnte hier seine Faszination durch das Licht im tiefsten Schwarz ausleben, denn die düsteren Metallkörper der Loks sind nur mit wenigen Akzenten aufgehellt. Eine bei Nacht in den Bahnhof einfahrende Lokomotive wirkt wie ein bedrohliches Fabelwesen mit seinen beiden Scheinwerfern vorne und dem fahlen Feuerschein über dem Tender.

Zugleich ist er mit solchen Bildern Chronist. Immer wieder malte er den (alten) Stuttgarter Bahnhof, stimmungsvoll als Treffpunkt von eilenden Menschen und heranfahrenden Zügen – eine Malerei der dunklen Stahlungetüme, gleichwohl nicht bar jeden Lichts.

Hermann Pleuer. Ein schwäbischer Impressionist”, Museum und Galerie im Prediger, Schwäbisch Gmünd bis 10.6.2018, Katalog 79 Seiten 18 Euro

Ein Gedanke zu „Licht im Dunkel: Der Maler Hermann Pleuer

  1. Volker Caesar

    Für den Betrachter ist freilich die überwiegende Hängung auf weißen Wänden oder auf Wandpfeiletn zwischen den Fenstern eine große Herausforderung. Man wünschte sich, dass das Tageslicht stärker „ausgesperrt“ bliebe, um dem Auge die Adaption zu ermöglichen, um die Wahrnehmung von Pleuers nacht-dunkler Farbpalette genießen zu können. Gedämpfte Farbigkeit der Wände und abgedunkelte Fenster könnten Wunder wirken. Die Qualität von Pleuers Malerei ist unbestritten.

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