Künstlerische Waldwelten von heute

Es ist eines der berühmtesten Waldtiere der Welt – Bambi, das Reh mit dem unnachahmlichen Augenaufschlag. Doch dieses Tier ist reine Fiktion, erdacht in den Studios von Walt Disney – nach einem zwei Jahrzehnte davor entstandenen Roman von Felix Salten, dessen Buch mit der härteren Alltagswelt der Tiere mehr zu tun hat als die Kinoversion. Kein Wunder, dass Künstlern von heute beim Thema Wald das braune Hochwild nicht in den Sinn kommt, wie jetzt eine Ausstellung im Forum Kunst in Rottweil zeigt.

Thomas Putze, Sau, 2013/2024

Nicht ein scheues Reh empfängt den Besucher im Forum Kunst Rottweil, sondern ein Wildschwein, von Thomas Putze mit wilden Schlägen aus einem Pappelholzstamm gehauen. Doch die Art, wie Putze dabei den Holzblock bearbeitet hat, dürfte das einzig Wilde dabei gewesen sein. Denn von dem Tier, das da ganz ruhig am Boden kauert, geht keine Gefahr aus, es wirkt fast zutraulich.

Immerhin ist das Wildschwein offenbar das Tier, das Künstlern im Zusammenhang mit dem Thema Wald am ehesten in den Sinn kommt. So zeichnete Stefan Strumbel aus einzelnen Pinselstrichen ein Wildschwein auf die Leinwand, das vergleichsweise harmlos vor sich hin zu traben scheint. Wenn Vögel auftauchen, dann sind es eher die Raben, die Martin Pöll zu einer Art Pyramide aufgeschichtet hat, zu einem „Rabenkopfstand“, und das Wildschwein, das Dieter Krieg aus fast abstrakt wirkenden Bleistiftstrichen aufs Papier gezaubert hat, scheint im Schweinsgalopp davonzurennen. Und der Wolf von Ottmar Hörl sitzt eher friedlich da und wartet – nicht unbedingt auf ein armes Opfer, in das er seine Zähne hauen kann.

Willi Bucher, Zwiesel, 2014

Die Waldwelt der Künstler scheint friedlich – vielleicht mit gutem Grund, denn außer dem Frieden scheint dem Wald kaum mehr etwas zu bleiben. Was an Baumbestand – dem eigentlichen Wohn- und Zufluchtsort der Waldtiere – übrig ist, wirkt eher kläglich. Willi Bucher hat aus Bronze naturgetreu einen Tannenast mit eher kärglichem Nadelwuchs gestaltet. Lediglich der Tannenwald, den Karl Hurm bei Sonnenuntergang porträtiert hat, vermittelt etwas von Schönheit und Geheimnis.

Die „Lebensbäume“, die Frank Paul Kistner fotografiert hat, sind kahl, bezeichnenderweise hat Kistner dafür die Schwarzweißfotografie gewählt, wie so manche seiner Kollegen auch. Der „Schwarzwald“ auf den Bildern von Robert Hak ist tatsächlich düster-schwarz, der „Buchenwald“ auf den Fotos von Christof Rehm verschwommen grau, sodass sich zum Titelwort der Fotoarbeit auch die ganz andere Assoziation von „Buchenwald“ einstellen mag. Der Wald, den Heribert C. Ottersbach auf Leinwand gemalt hat, ist grau – von Farbe, gar von „grünen Blättern“, die das Weihnachtslied dem Baum andichtet, keine Spur.

Kein Wunder, dass Jürgen Knubben seinen Tannenbaum bedauert: „Ach Tannenbaum“ nennt er sein Gebilde, das aus Bronze naturgetreu einen Stamm darstellt – ein kahles Relikt, wie anders kaum zu erwarten, hat dieser Baum doch nach dem Fest seine Funktion eingebüßt und harrt seiner Entsorgung. Dieter Krieg brachte sogar nur ein „Tännchen“ zu Papier.

Karl Manfred Rennertz, Zapfen, 1988

Immerhin: der „Zapfen“, den Karl Manfred Rennertz aus Ulmenholz gestaltet hat, ist so groß wie ein veritabler Baum, und Angela Flaig gibt dem Besucher der Ausstellung, den vielleicht schon pessimistische Anwandlungen plagen angesichts dessen, was an Wald noch geblieben sein mag, vielleicht wieder einen Hauch von Hoffnung: Sie hat Kiefernsamen gesammelt und wie zu einer Samenbank in Reih und Glied angeordnet, auf dass daraus wieder neue, kräftige Bäume wachsen mögen. Am besten, man verteilt diese Samen auf dem Feldstück, das Ralph Fleck gemalt hat. Es ist leuchtend grün und verspricht gute Bedingungen für ein gedeihliches Wachstum, damit vielleicht irgendwann einmal Reinhard Sigle einen schönen Wald gestalten kann. Jetzt hat er lediglich ein paar dürre Holzsplitter zu einem Ensemble versammelt und unter die Frage gestellt: „Der große Wald?“

Möge er wachsen und gedeihen. der Mensch sollte nur die Umwelt dafür zur Verfügung stellen – wieder, damit man sich nicht mit dem einsamen auf einer großen, kahlen Holzplatte ausgestellten winzigen Tännchen von Jörg Obergfell begnügen muss – einer hinreißend schönen Arbeit, die aber doch wehmütige Gedanken auslösen kann wie gleich zu Beginn der Tannenbaum, dem Jürgen Knubben nur ein seufzendes „Ach“ hinzufügen konnte.

WALD- und WILDszenen“, FORUM KUNST Rottweil bis 5.1.2025

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