I like America. Zeitgenössische Kunst aus den USA im Schauwerk Sindelfingen

Amerikanische Kunst der letzten 50 Jahre, das heißt: Pop Art, geometrische Abstraktion, Lichtinstallationen – und immer wieder auch: Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Schauwerk in Sindelfingen zeigt in einer rund 100 Arbeiten umfassenden Ausstellung einen repräsentativen Querschnitt durch diese Kunst – mit Werken von Robert Longo, Dennis Hopper, Frank Stella, um nur einige zu nennen. Die Ausstellung trägt den Titel: „I like America“, nach einer berühmten Videoarbeit von Joseph Beuys, und viele Arbeiten haben tatsächlich das Land zum Thema, in dem diese Künstler leben.

Wäre es denkbar, dass deutsche Künstler wie selbstverständlich die deutsche Flagge zum Inhalt eines Kunstwerks machen? Ohne kritische Untertöne? Die amerikanischen Künstler scheinen mit ihrer Flagge keine Berührungsängste zu haben. So begegnet der Besucher der Ausstellung im Schauwerk zu Beginn gleich zwei Arbeiten zur amerikanischen Flagge, auch wenn man möglicherweise zwei Mal hinschauen muss, um sie zu erkennen. Robert Longo hat sie golden übermalt und zu einer Reliefskulptur geformt. Der Titel „The richest country on earth – das reichste Land der Erde“ ist sicherlich auch ironisch gemeint, aber eben nicht nur. Das Gold gleißt, es verheißt Wert, Reichtum, aber da die Flagge bis zur Unkenntlichkeit in ein Relief verwandelt ist, ist das Spiel mit der Flagge doppelbödig. So verwies Longo in einem Interview auf das Paradox, dass sehr viele Menschen gern in den USA leben würden, auch wenn sie dem bisweilen extremen Kapitalismus der amerikanischen Gesellschaft kritisch gegenüber stünden. 

Und Longo ist nicht allein. Auf der gegenüberliegenden Wand hängt noch eine Flagge, diesmal als Gemälde auf Sperrholz, und auch in diesem Fall ist die Aussage zwiespältig.

Tom Sachs hat sie aller Farben beraubt, ganz in Grautönen gehalten. Sein ganzes Schaffen kreist um amerikanische Symbole. Den amerikanischen Traum vom Selfmademan greift er in Arbeiten auf, die deutlich als Hobbybasteleien erkennbar sind, sowie in dem fast drei Meter breiten Bild eines Ein-Dollarscheins. Dem Phänomen McDonald hat er gar eine ganze Serie gewidmet. Damit steht er nicht allein. Der Konsum ist bei vielen amerikanischen Künstlern ein Thema, spätestens seit der Pop Art. So trifft man in der Ausstellung auf eine von Jonathan Seliger kreierte Einkaufstasche – mit dem Sternenbanner als Design. Auch Tim Sachs kritisiert die amerikanische Gesellschaft, geht dabei aber etwas lockerer und spielerischer vor. Er bekennt sich durchaus auch als Konsument dieser Gesellschaft. Unter dem Titel „Nutsy’s McDonald“ hat er in seinem Atelier ein ganzes Environment aufgebaut mit einem Burgerstand und einer Bildtafel mit dem McDonald-Logo. In der Ausstellung findet sich ein von ihm nachgebauter Abfallbehälter der Fastfoodkette. Selbst Kunst, so Sachs‘ Botschaft, kann aus McDonald entstehen. So baute er eine Anspielung an die legendäre unendliche Säule des Bildhauers Brancusi – aus lauter Plastiktabletts von McDonald.

Auch Symbole aus der Welt des Films werden künstlerisch verarbeitet. Wir finden jene aus Cowboyfilmen bekannten Holzgeländer, wie sie vor den Saloons anzutreffen waren, an die die Cowboys mit lässiger Gebärde ihre Pferde angebunden haben. Allerdings hier nicht aus echtem Holz, sondern aus modernem, aseptisch glänzendem Fiberglas; darüber hängt der Schädel eines Pferdes. Da schlägt Humor in Sarkasmus um, denn die Künstler gehen bisweilen sehr kritisch mit ihrer Heimat um. Robert Longo hat auf riesigen Graphitzeichnungen Soldaten beim Anbringen von Stacheldrahtzäunen porträtiert, sowie ein Kampfflugzeug, das bedrohlich auf den Betrachter zuhält.

Er bekannte denn auch einmal, er finde sein Land „amazing – erstaunlich“, aber eben auch „destructive – zerstörerisch“. Doug Aitken malte riesige menschenleere Stadtlandschaften, deren Häuser und Straßen aus den Schriftzügen von Markennamen – IBM, McDonald – bestehen. Die Welt – ein einziger Industrietempel. Die amerikanischen Künstler, so scheint es, sind sich nicht immer ganz sicher, wie sie zu ihrem Land stehen sollen, und bekennen das mit erfrischender Selbstironie. Offenbar fällt es den amerikanischen Künstlern leichter, sich mit ihrem Land zu identifizieren, als ihren Kollegen in Deutschland. Allerdings ist die Kritik stets vorhanden, auch wenn sie mit einem leichten Schmunzeln vorgetragen wird. So hat Kenny Scharf einen Abgesang auf die Ära des amerikanischen Straßenkreuzers gemalt. Aus einem an Warhols Tomatendose erinnernden Gefäß läuft in drei dicken Strahlen Motoröl. Unten links prangt das Logo „SHELL“. Über dem Automobil aber erhebt sich als eine Art Höhlenzeichnung ein Dinosaurier, jene Tierart, die immer größer wurde und schließlich ausstarb.

I like America. Schauwerk in Sindelfingen, Eschenbrünnlestraße 15/1, zu sehen bis 4.9.2016. Geöffnet Samstag und Sonntag 11-17 Uhr sowie Dienstag und Donnerstag 15.00 bis 16.30 (nur im Rahmen einer öffentlichen Führung).

Ein Video zur Ausstellung von Horst Simschek und mir findet sich auf YouTube:

https://www.youtube.com/watch?v=CfWU6Mq8nws

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