Geometrisch oder organisch – Hauptsache abstrakt: Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp

Längliche farbige Rechtecke neben- oder übereinander gelagert – über solche Arbeiten lernte Hans Arp seine spätere Frau Sophie Taeuber kennen: in einer Ausstellung mit „modernen Wandteppichen“, das war 1916, und Arp war von Anfang an begeistert. Er selbst hatte sich da künstlerisch noch nicht festgelegt, doch als er wenige Jahre danach dann seinen Stil entwickelte, wirkte der wie ein Kontrastprogramm zu dem seiner Freundin – und ab 1922 Frau. Die Städtische Galerie in Bietigheim zeigt zwei Künstlermentalitäten, wie sie konträrer kaum sein könnten und die sich doch zu einem Traumpaar der Kunst entwickelten.

Dass Sophie Taeuber bei der geometrischen Strenge landen würde, war keineswegs selbstverständlich, denn Kunst gelernt hatte sie an einer Schule für freie und angewandte Kunst – zwangsläufig, schließlich war Frauen der Zutritt zu den Kunstakademien noch bis ins 20. Jahrhundert hinein verwehrt. Doch zwei Arbeiten in der Bietigheimer Ausstellung lassen ahnen, dass das für sie möglicherweise eine Hilfe war, ihren Weg zu finden. Eine frühe Zeichnung wirkt vergleichsweise frei in der Linienführung, die wenig später als Knüpfarbeit aus Garn entstandene textile Variante dagegen weist die geometrische Strenge, auf, die ihre Kunst bestimmen sollte. Als sie an der Zürcher Kunstgewerbeschule unterrichtete, nahm sie „wie der Ritter St. Georg mit dem Drachen“ den Kampf gegen diese traditionellen Inhalte an solchen Schulen auf, wie sich Hans Arp 1955 erinnerte.

Er hatte es da vergleichsweise einfacher, den Weg zur Moderne zu finden, wuchs künstlerisch in der Welt des Dada in Zürich auf und erhob den „Nicht-Sinn“ zum Kriterium seiner Arbeit (was nicht „Unsinn“ bedeute, wie er betonte). Seine Inspiration freilich holte er nicht aus der Geometrie, sondern aus der Natur. Entwickelte Sophie Taeuber-Arp eine geometrische Abstraktion, so schuf Hans Arp eine organische Abstraktion. Bei ihm ist man als Betrachter ständig hin- und hergerissen. Man meint zwar immer wieder so etwas wie Lebewesen oder vertraute Körper erkennen zu können, und landet doch streng genommen bei abstrakten Formen – das Oval mutiert bei ihm zum Nabel oder zum Ei und wird zum Symbol alles Lebendigen. Die Fantasie kennt alsbald keine Grenzen mehr. Da meint man eine riesengroße Knulpnase erkennen zu können, im nächsten Augenblick glaubt man, einen Gnom aus einem Märchen ausmachen zu können, dann wieder ist das alles ein reines Spiel der Formen. Arp entwickelt für dieses Hin und Her eine ganz eigene Objektsprache: Objekte werden vermenschlicht, Menschen werden verdinglicht. Aus einem Hut mutiert mit wenigen Strichen ein Gesicht mit Schnurrbart, ein „Schnurrhut“; überhaupt versuchte Arp, sich jeder Festlegung zu entziehen. Die Metamorphose wird bei ihm zum Zauberwort – und der Zufall.

Doch auch seine Frau ließ sich nicht auf strenge Geometrie festlegen. Ihr Mann führte sie in die Dada-Kreise ein, und das dürfte auch bei ihr Spuren hinterlassen haben. Immer wieder tanzen auf ihren Bildern Farbkugeln buchstäblich aus der geometrischen Reihe, ihre Bilder werden rhythmisch beschwingt (schließlich hatte sie bei Rudolf von Laban auch Tanz studiert). So ist es kein Wunder, dass beide auch gemeinsame Arbeiten schufen – und vor diesen „Duo-Arbeiten“ ist man sich nicht immer ganz sicher, was von wem stammt.

So entwicklelte sich eine ideale Beziehung zwischen zwei künstlerisch sehr unterschiedlichen Mentalitäten. Gemeinsam schufen sie bezeichnenderweise eine „Eheplastik“, in der eckige und runde Formen zur Einheit verschmelzen. Man muss, wie oft bei Arps Plastiken, um sie herumgehen, und sie offenbart von jeder neuen Perspektive eine andere Form – wie wenn man eine Orchideenblüte umrundet und immer Neues entdeckt. Diese Vielfalt in der Variation, die Metamorphose, die Hans Arp der Natur abgelauscht hat, entdeckte seine Frau in der Geometrie – und hier findet die Ausstellung einen gemeinsamen Nenner für eine Ehe- und Künstlergemeinschaft, die durch den frühen Tod von Sophie durch eine Kohlenmonoxydvergiftung 1943 tragisch beendet wurde; sie war 54, und es dauerte Jahre, bis sich ihr Mann von diesem Schicksalsschlag erholt hatte und wieder künstlerisch arbeiten konnte und dabei immer wieder Hommagen an seine geliebte Sophie schuf.

Die Ausstellung zeigt zwei unterschiedliche Mentalitäten, die doch auf einer abstrakteren Ebene ihre engen Berührungspunkte hatten, und sowohl im Leben wie in der Kunst ein Traumpaar waren – künstlerisch einander ebenbürtig und sich gegenseitig beeinflussend.

Bildrechte: Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen, VG Bild-Kunst, Bonn 2016 für Hans Arp, Stiftung Arp e.V., Rolandswerth/Berlin

Zweiklang. Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp“. Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen bis 3.7.2016. Katalog 79 Seiten 18 Euro

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