Er war Publikumsliebling und Medienstar: Eisbär Knut. Vor ihm schafften es auf die obersten Stufen der Beliebtheitsskala Gorilla Bobby, Rüsselrobbe Roland, die Giraffe Rike, Pelikan Methusalem, selbst ein Flusspferd namens Knautschke. Tiere sehen dich an, betitelte Paul Eipper schon 1928 ein erfolgreiches Buch. Der Hund gilt als des Menschen liebster Freund – und doch lässt der Mensch Tiere auch in Massenhaltung leiden, in Fabriken töten. Das Verhältnis Mensch-Tier ist zwiespältig – wie mag es da erst das Verhältnis Tier-Mensch sein. Eine Ausstellung in Bad Saulgau versucht Antworten zu geben: ArtGenossen.
Pavel Feinstein. O.T.
Dass Affen malen können, ist bekannt. Im Krefelder Zoo macht es ein Orang-Utan. Dass sie sich auch in den Genres üben, die von Menschenhand gern geschaffen werden, zeigt der Maler Pavel Feinstein. In altmeisterlicher Manier malt er, was seit dem 15. Jahrhundert beliebtes Motiv der großen Male war: das Porträt, der Maler an der Staffelei stehend. In diesem Fall ist es nicht Rembrandt, sondern ein Affe. Und weil große Maler der Vergangenheit auch gerne Tiere gemalt haben, tun es ihnen die Affen nach – und so sehen wir bei Feinstein, wie sich ein Pavian an einem Porträt des Homo sapiens versucht, mit durchaus beachtenswertem Ergebnis.
Die Welt der Menschen und die der Tiere sind längst eins geworden. Hunde dienen als Kinderersatz, werden gehätschelt, gepflegt und gekleidet wie Modepüppchen. Der Amerikaner Elliott Erwitt porträtierte mit der Kamera Marlene Dietrich und Marylin Monroe, aber auch Pudel, die direkt vom Coiffeur kommen und sich benehmen wie Menschen, Hunde, die mit poppigen Sonnenbrillen in die Kamera blicken.
Längst hat das Schoßhündchen sich die Couch erobert; bei Hartmut Kiewert erobern auch Nutztiere das heimische Wohnzimmer. Eine Sau muss bei ihm ihre Ferkel nicht mehr auf Stroh im Stall säugen, auf dem Perserteppich ist es ungleich sauberer.
Das Tier wird verbürgerlicht – doch wo bleibt der Mensch? Wird er zum Tier? Im normalen Leben geht er in den Zoo und bewundert die Tiere, sie werden zum Anschauungsobjekt par excellence. Nicht so bei Volker Sonntag. Bei ihm beäugen Tiere Menschen, die sich zur Schau stellen: den Tänzerinnen mit ihren eleganten Bewegungen, die beim Ballett die Zweibeiner im Publikum zu Beifallsstürmen hinreißen würden, gönnt ein Nashorn allerdings lediglich einen müden Seitenblick. Wer sich auf zwei Beinen so affig benimmt, ist der Aufmerksamkeit eines Vierbeiners kaum würdig. Umso mehr Interesse findet der Vierbeiner beim Menschen; kein Geringerer als Sigmund Freud hat einen solchen auf seiner Couch liegen – tierische Tiefenerkenntnisse.
Mensch und Tier scheinen austauschbar. Die Ausstellung zeigt, dass der gute alte Georg Christoph Lichtenberg wieder einmal so unrecht nicht hatte, als er feststellte, dass der Mensch unter allen Tieren in der Welt dem Affen am nächsten komme – der bei Rudi Hurzlmeier denn auch mit gewichtiger Miene am Computer sitzt, in der Pfote die Maus – eine echte, versteht sich, das Tier braucht keine Ersatzobjekte aus Plastik.
Das Tier, so scheint es, ist der wahre Mensch – vielleicht sogar der bessere, weshalb Letzterer sich bei Hermann Schenkel am liebsten mit seinem „ArtGenossen“ vereinen will – vereinen wohlgemerkt, nicht vereinigen, einfach verschmelzen. Hier bin ich Tier, hier darf ichs sein.
„ArtGenossen. Das Tier und wir“, Galerie Fähre, Bad Saulgau, bis 11.6.2017