Man sieht von ihnen nur den Rücken, die ausdrucksstarken Bewegungen der Arme und Hände, gelegentlich ein Körperwiegen – der Dirigent im Konzert ist ein weitgehend anonymes Wesen, das sich über die Musik ausdrückt. Das Programmheft gibt meist lediglich einige dürre Fakten zur Karriere. So wird es auch im 1. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters der Oper Stuttgart sein. Hartmut Haenchen dirigiert am 11. und 12. Oktober zwei Hauptwerke von Johannes Brahms – die 1. Sinfonie und das Violinkonzert mit Frank Peter Zimmermann. Die inzwischen allenthalben üblichen Einführungen werden Wissenswertes liefern, aber eben über die Musik.
Das soll sich ändern. „Konzert+“ heißt eine neue Veranstaltungsreihe – jeweils einen Tag vor den Konzerten. Rafael Rennicke, der für die Konzerte zuständige Dramaturg der Oper, wird im Gespräch Hartmut Haenchen vorstellen – und hat mehr Stoff, als man bei einem Dirigenten vermuten möchte.
Zum einen dürfte es spannend sein, das niederländische Musikleben kennenzulernen – Haenchen war Chefdirigent der Oper von Amsterdam sowie der Niederländischen Philharmonie. Haenchen hat sich wissenschaftlich intensiv mit alter Musik auseinandergesetzt und diese Erkenntnisse mit dem von ihm geleiteten Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach in die Tonpraxis umgesetzt. Er hat mit zwei Jahren das Bombardement von Dresden miterlebt. Paul Cohen und Martijn van Haalen haben über all das einen Film gedreht, der mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde. Und Haenchen hat als ehemaliger Bürger der DDR leidvolle Erfahrungen mit dem Regime machen müssen. In den Stasi-Unterlagen, in die er Einblick nehmen konnte, musste er erfahren, dass er bespitzelt wurde – und auch von wem.
„Erfahrungen eines Dirigenten“. Hartmut Haenchen im Gespräch mit Rafael Rennicke und Ausschnitte aus dem Film: „Der Himmel über Dresden“: Samstag, 10. Oktober 15 Uhr, Oper Stuttgart Foyer 1. Rang