Die Zahlen sprechen für sich: 30 Millionen Touristen besuchen Venedig pro Jahr, man könnte auch sagen sie überfallen die Stadt an der Lagune, und trotzdem hat sie nichts von ihrer Faszination verloren. Noch immer ist sie die Serenissima, ein Traum aus Licht und Wasser und natürlich märchenhafter Architektur, ob beim Dogenpalast, einem der bedeutendsten Profanbauten der Gotik, oder bei der barocken Kirche Santa Maria delle Salute, die aus Anlass der Pest errichtet wurde, denn auch das gehört zu Venedig: die Schattenseite, der drohende Verfall – kein Wunder, dass sich Künstler seit Jahrhunderten von dieser Stadt angezogen fühlten, bis heute, wie eine Ausstellung in Ochsenhausen zeigt.
Joachim Elzmann, Venedig, 2014
Diese Stadt ist derlei im kulturellen Gedächtnis verankert, dass einige wenige Versatzstücke genügen, um einen in der Fantasie an den Canal Grande zu versetzen. Joachim Elzmann hat in einer Collage aus Holz gewissermaßen ein abstraktes Venedig gezaubert, dessen Einzelteile aber sofort die Vision eines der Wahrzeichen dieser Stadt evozieren: der Gondel. Angesichts der hellen Farben dieser Arbeit denkt man an Sommerhitze, aber bei den Fotos gleich daneben auch an die Düsterkeit, wenn die Gondeln „Trauer tragen“. Günter Derleth hat die dunklen Visionen hervorgerufen, indem er auf das alte Verfahren der Camera obscura zurückgriff.
Helle Jetzig, Venice
Natürlich erkennt man Venedig auf den großformatigen Fotografien von Helle Jetzig wieder. Da ist der Dogenpalast, das Ospedale della Pietà – und trotzdem gibt es diese Venedigveduten in Wirklichkeit nicht, Jetzig hat sie am Computer künstlich neu arrangiert – ganz im Unterschied zu Manfred Hönig, der sie so realistisch porträtiert hat, dass man meint, sie seien mit dem Fotoapparat aufgenommen worden, Hönig aber hat sie meisterlich mit Pinsel und Farbe auf Leinwand gezaubert.
Es sind auch die großen Namen vertreten: Salvador Dalì hat die Basilica San Marco auf einer Farblithographie festgehalten und zugleich einen Spaziergang in die Vergangenheit gemacht bis hin zu kleinen Sänftenträgern, wie man sie auf alten Veduten finden kann.
Aber natürlich fehlen auch nicht die Kehrseiten der glitzernden Medaille. Horst Janssen hat mit der für ihn typischen Meisterschaft mit wenigen Strichen ein verfallendes Venedig gezeichnet, der Amerikaner Peter Josyph die Aktivitäten an der Lagune festgehalten, die zum Erhalt der vom Verfall bedrohten Stadt dienen: Baggerarbeiten. Malte Sartorius hat mit dem Bleistift einen trockengelegten Kanal gezeichnet, in dem dringend nötige Sanierungsmaßnahmen vollzogen werden.
Am verblüffendsten dürften für viele die Arbeiten von Joe Tilson sein: abstrakte Muster hat er neben Nachbildungen berühmter Bauwerke gestellt. Stones of Venice nennt er seine Arbeiten – und hat damit nicht nur eine Hommage an die Stadt kreiert, sondern an den Architekturtheoretiker, der in Venedig eine letzte Bastion wahren guten Bauens gesehen hatte: John Ruskin, dessen dickes, üppig illustriertes Buch denselben Namen trug.
Und sogar das Wasser der Lagunenstadt hat Einzug in Ochsenhausen gehalten. Tilman Krieg hat mit Filmaufnahmen und Tönen aus der Serenissima einen Raum in ein Stück Venedig verwandelt.
„Venedig in der Kunst“. Städtische Galerie im Fruchtkasten, Ochsenhausen bis 8.10.2017