Als Heinz Mack und Otto Piene sich 1958 in Düsseldorf zur Künstlergruppe ZERO zusammentaten, ging es ihnen um einen Neuanfang in der Kunst, bei dem der Ballast der vorangegangenen Jahrzehnte abgeworfen werden sollte. Das war natürlich mit Blick auf die Nazizeit durchaus politisch gemeint, mit Blick auf Strömungen wie den Expressionismus aber auch rein ästhetisch. So entschieden sie sich für die Nichtfarbe Weiß, mit der Günther Uecker, der alsbald dazustieß, seine Nagelköpfe bemalte, und für das Licht, das Otto Piene mit kinetischen Installationen zu wahren Balletten in Szene setzte. Auch für Heinz Mack war Licht das zentrale Ausdrucksmittel, allerdings setzte er es in einem sehr viel größeren Spektrum ein, wie jetzt eine Retrospektive auf sechzig Jahre seines Schaffens, Mack ist inzwischen neunzig Jahre alt, im Museum Ritter in Waldenbuch deutlich macht: „Werke im Licht (1956-2017)“.
Auf einem großen Farbfoto der Sahara erkennt man rechts unten eine menschliche Gestalt in einer Art Weltraumanzug aus Alufolie. Es ist Heinz Mack, dem auf diese Weise gelang, was ihn Jahrzehnte künstlerisch umtreiben sollte: Er machte Licht sichtbar, denn Licht an sich kann man nicht sehen, es ist reine Energie. Mack machte es sichtbar, indem er dem Licht Flächen gab. Das konnte eine reflektierende Aluminiumhaut sein, das konnten aber auch einfach Strukturen sein, die er in den Wüstensand einharken ließ und mit denen er Hell-Dunkel-Erscheinungen hervorrief. An anderen Orten in der Wüste ließ er Aluminiumstelen aufstellen, in denen sich das gleißende Licht fing. Aus diesem mehrere Jahre umfassenden Wüstenprojekt vor Ort entstanden dann Siebdrucke als künstlerische Weiterentwicklungen, auf denen er einzelne Stationen, die er in der Wüste gestaltet hatte, zu Bildern verarbeitete – besagte Stele zum Beispiel, Segel oder Erscheinungen am Himmel.
Mack machte auf diese Weise Licht nahezu greifbar, indem er es auf reflektierenden Flächen einfing, Aluminium oder Edelstahl. Mit anderen Materialien wiederum versuchte er das Gegenteil davon. Hier dienten ihm Materialien nicht, um Licht sichtbar zu machen, hier diente ihm das Licht, um Materialien sichtbar zu machen, die eigentlich nahezu unsichtbar sind – durchsichtige Plexiglasscheiben zum Beispiel. In beiden Fällen geht es um eine Art Materialisation von Immateriellem. Und gerade bei den Plexiglasarbeiten entdeckt man noch einen Aspekt des Licht: Es ist vom Raum, von den Gegebenheiten, vor allem von der Perspektive abhängig. So ließ er einmal von zwei Seiten kleine Lichter in einen Plexiglaswürfel scheinen. Die Lichtquellen sind fest montiert. Doch man braucht als Betrachter den Kopf nur einen Zentimeter nach rechts oder links zu bewegen, und das Objekt verändert sein Erscheinungsbild, die Lichtphänomene wandeln sich, das Licht wird in Spektralfarben zerlegt, das Objekt, nahezu unsichtbar, weil transparent, und absolut fix, scheint in Bewegung zu geraten. Auf diese Weise macht Mack dem Betrachter deutlich, dass alle optischen Erscheinungen, mithin also auch Kunst, letztlich erst durch den Betrachter entsteht, in seinem Auge, und jede Bewegung wirkt sich auf das Erscheinungsbild aus. Da wird das Kunstobjekt zum Mittel der Kunsterziehung und der Erkenntnis über die eigene Wahrnehmung. Steht der Betrachter starr vor einem Objekt, versetzt Mack es in Bewegung und erzielt so die ständige Veränderung. Auf diese Weise wird nicht nur der Betrachter aktiv für die Kunsterscheinung, sondern auch der umgebende Raum.
Die Auswirkungen des Lichts auf Gegenstände ist ein weiterer Aspekt von Macks Schaffen. So steckte er zwei Marmorquader ineinander. Der untere, gewissermaßen der Sockel, ist an der Oberfläche rau, der obere glattpoliert, und obwohl beide in etwa dieselbe Masse haben dürften, wirkt die glattpolierte Hälfte ungleich leichter als die rau belassene.
Mack kommt aber in seinen Lichterkundungen auch ganz ohne Beleuchtung aus, in der Malerei. Auf einem Bild lässt er eine Reihe kleiner Farbquadrate zur Mitte hin immer heller werden, sodass man meint, die hellsten gelben Quadrate würden von hinten durch eine Lichtquelle erleuchtet, was nicht der Fall ist.
Mack gelangen immer wieder strahlend leuchtende Farbkompositionen, die doch mit ganz herkömmlicher Acrylfarbe auf Leinwand erzielt wurden. Und selbst bei Bildern, auf denen er mit schwarzen Rastern den hellen Bildhintergrund zum Teil verdeckt, schafft er es, den Eindruck zu erwecken, als befinde sich hinter den schwarzen Strichen ein gleißend heller Lichtraum. Licht – Helligkeit – ist eben auch abhängig von seinem Gegenteil, dem Dunkel. In einer Arbeit macht Mack das schon im Titel deutlich, der von der Macht von Schwarz und Weiß kündet.
„Es werde Licht“ wird Gott in der Bibel zitiert, als er die Welt erschuf. Heinz Mack macht seit Jahrzehnten künstlerisch deutlich, was das für uns alle bedeutet.
„Heinz Mack. Werke im Licht (1956-2017)“, Museum Ritter, Waldenbuch bis 19.9.2021. Katalog, 121 Seiten