Man sollte meinen, dass in der Welt der Kunst, die sich ja gerne der Avantgarde verschreibt, gesellschaftliche Entwicklungen früher Einzug halten als im Rest der Gesellschaft – wie etwa der Gedanke der Gleichberechtigung. Doch noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war an den Akademien für Frauen kein Platz, und noch vor kurzem meinte Georg Baselitz, Frauen könnten nicht malen. Vor Jahrzehnten schon haben Frauen ihre eigene Stellung in der Gesellschaft zum Thema erhoben; so stellte Rosemarie Trockel schon vor dreißig Jahren ihre Werke aus „typisch weiblichen“ Materialien wie Strickwaren her. Eine Ausstellung in der Städtischen Galerie in Schwenningen macht deutlich, dass auch im 21. Jahrhundert das Thema an Relevanz nicht verloren hat. „Desperate Housewives?“
So meint man in dieser Ausstellung nicht selten, in die Arbeitswelt der Hausfrauen einzutauchen, in die Waschküche beispielsweise. Anna Anders hat eine Waschmaschine aufgestellt, in deren Bullauge in einem Video der Waschvorgang beobachtet werden kann. Aber nicht nur die schmutzige Wäsche rotiert da vor den Augen des Betrachters, sondern auch der Kopf der Künstlerin: Die Hausfrau ist zum Teil ihres Arbeitsgeräts geworden, erfährt dort buchstäblich eine Gehirnwäsche, ist unentrinnbar mit der ihr zugewiesenen Sphäre verschmolzen.
Diese Ausweglosigkeit prägt viele Arbeiten. Alexandra Kürtz hat eine Glühbirne in einen Vogelkäfig gesperrt. Wenn der Betrachter den Raum mit dieser Arbeit betritt, sieht er sich unversehens ebenfalls eingekerkert in den schattenhaften Gitterstäben, die der Käfig an die Wand wirft.
Noch sarkastischer hat Maria Ezcurra die Existenz der Hausfrau porträtiert. Sie beginnt mit dem Traum einer jungen Frau, der Hochzeit. Doch alsbald tauscht auf der Fotoserie die Frau das Hochzeitskleid gegen die Utensilien des Alltags ein: Auf dem Sofa verschwindet sie neben ihrem Mann vollständig unter der Couchdecke, auf einem anderen Foto wird sie Teil des Bügeleisens: Sie geht nahtlos auf in der Welt ihrer Bestimmung.
Anke Eilergerhard hat Tassen und Kännchen so gestapelt, dass sich Assoziationen an menschliche Gestalten ergeben – die Frau als Sonntagsporzellan auf dem Kaffeetisch.
Es gibt allerdings auch die andere Seite. Bei Andrea Isa ist von Verzweiflung keine Spur. Auf ihren Fotos demonstrieren Frauen mit Utensilien der Küchenarbeit geradezu kämpferisch fröhlich, wie souverän sie den Alltag beherrschen.
Die eine balanciert mit tänzerischer Leichtigkeit hohe Stapel von Porzellantellern, eine zweite sucht wie weiland Sherlock Holmes mit der Lupe nach dem letzten Stäubchen, das es zu beseitigen gilt, eine dritte posiert heldenhaft mit der Pistole in der einen Hand, einer Tabascoflasche in der anderen und einem Patronengurt aus Maggifläschchen um die Brust. Daher haben Martina Padberg und Ina Ewers-Schultz im Titel ihrer Ausstellung hinter die „desperate Housewives“ denn auch ein Fragezeichen gesetzt. Doch meistens bleibt nur in den Arbeiten lediglich das Epitheton „verzweifelt“ übrig, ohne mildernde Satzzeichen. „Ich habe vergessen, wie man träumt“ liest man da; Alice Musiol hat den Satz typisch hausfraulich auf Stoff gestickt. Das ist ein Hilfeschrei in der Ausdrucksform, die man Frauen offenbar gerade noch zugesteht.
„Haushalten sei wie ein Video in einer Galerie. Kaum sei es zuende, beginne es wieder von vorn“, so wird eine Künstlerin zitiert – und Alice Musiol hat in einer zweiten Arbeit gezeigt, wo sich das Leben dieses ewigen Einerlei abspielt, in einer Siedlung, in der ein Haus aussieht wie das andere, alle in Reih und Glied aufgestellt, gebastelt aus lauter Toastbrotscheiben. Alle sehen identisch aus, individueller Ausdruck ist da unmöglich. Kein Wunder, dass bei Gabriela Oberkofler die Frau dem allem den Rücken kehrt und sich auf und davon macht – aber selbst bei diesem Akt der Befreiung kann sie sich vom Haushalt nicht befreien. Sie trägt ihn als Last auf dem Rücken mit wie die Buggelkraxenträger in ihrer Südtiroler Heimat.
„‚Desperate Housewives?‘ Künstlerinnen räumen auf“. Städtische Galerie Villingen-Schwenningen bis 4.12.2016, danach
Staatliches Textil- und Industriemuseum Augsburg 17.12.206 bis 12.3.2017.Katalog 190 S., 16.80 Euro