Archiv der Kategorie: Oper

Ironie des Schicksals: Verdis Rigoletto an der Oper Stuttgart

Die Oper enthält eine der berühmtesten Tenorarien der Opernliteratur: „O wie so trügerisch“, gesungen von einem Herzog, der nur einen Lebenssinn kennt – sich zu amüsieren. Um die anderen Dinge kümmern sich eher zwielichtige Gestalten, und die Titelfigur – Rigoletto, der Hofnarr des Herzogs – redet diesem nach dem Munde, bis Rigolettos Tochter Gilda sich in den Herzog verliebt. Verdi hielt diese Oper für eine seiner gelungensten, im Unterschied zu anderen Opern verzichtete er auf Korrekturen und Überarbeitungen. 2015 inszenierte der damalige Stuttgarter Opernintendant und Meisterregisseur Jossi Wieler zusammen mit Sergio Morabito die Oper für die Stuttgarter Bühne. Jetzt ist sie wieder im Repertoire.

Foto: Martin Sigmund

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Chemie als Lebenselixier: Donizettis L’Elisir d’Amore an der Oper Stuttgart

Diese Oper ist eine Herausforderung an Regisseure, denn streng genommen bietet sie nicht viel, zumindest an Handlung. Ein Dorf in der Provinz, die kokette Pächterin Adina, der fahrende Händler Dulcamara, Belcore, ein Militärsergeant, und Nemorino als „Held“, den alle für einen Trottel halten – kein Wunder, dass Regisseure sich immer wieder bemüht sehen, Donizettis Oper Der Liebestrank in ein anderes Ambiente zu verlegen: Von einem Badestrand bis zu einem Wellnesshotel war alles dabei; Rolando Villazón ließ die Geschichte in seiner Inszenierung im Baden-Badener Festspielhaus an einem Westernfilmset spielen mit Adina als Filmstar und Nemorino als kleinem Komparsen.

Laia Vallés (Gianetta), Claudia Muschio (Adina), Staatsopernchor Stuttgart. Foto: Martin Sigmund

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Humor bei Wagners Siegfried: Die Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito an der Oper Stuttgart

Es war vor über zwanzig Jahren, da hatte der damalige Stuttgarter Opernintendant Klaus Zehelein die durchaus kühne Idee, die vier Teile von Wagners Ring, nicht wie meist – und vor allem in Bayreuth – üblich, von einem einzigen Regisseur inszenieren zu lassen, sondern für jeden Abend einen anderen Regisseur zu wählen. Der jetzige Intendant Viktor Schlomer setzte diese Tradition fort, ja steigerte sie noch, indem er für eine der vier Opern – Die Walküre – gar pro Akt einen anderen Regisseur verpflichtete. Für den Siegfried dagegen holte er die seinerzeit von Jossi Wieler und Sergio Morabito erarbeitete Version noch einmal auf die Bühne – eine grandiose Wahl für eine grandiose Inszenierung.

Matthias Klink (Mime), Daniel Brenna (Siegfried). Foto: Martin Sigmund

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Zwischen Komödie und Tragikomödie: Donizettis Don Pasquale in Hamburg und in Stuttgart

Als dicken aufgeblasenen Kerl zeigt ein zeitgenössischer Stich den Bariton Luigi Lablache in seiner Rolle als Don Pasquale bei der Uraufführung von Gaetano Donizettis gleichnamiger Oper 1843 – und damit ist auch schon der Stil vieler Inszenierungen und Gesangsdarstellungen angedeutet: Alter reicher Zausel heiratet junges hübsches Ding und wird betrogen – ein typisches Thema der Commedia dell’arte. Der reiche Alte ist auch Ausgangspunkt zweier jüngerer Inszenierungen an der Hamburgischen Staatsoper und der Oper Stuttgart – und doch könnten die beiden Inszenierungen unterschiedlicher kaum sein.

Ambrogio Maestri, Kartal Karagedik © Foto: Brinkhoff/Mögenburg

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Wagner ursprünglich und wörtlich genommen: Der Fliegende Holländer am Nationalthater Mannheim

Dass der Holländer die zentrale Figur dieser Oper ist, macht schon seine Präsenz deutlich: Kaum ist der Steuermann auf dem Schiff des seefahrenden Kaufmanns Daland eingenickt, tritt die Titelfigur zu ihrem großen Monolog auf und beherrscht dann für den Rest des 1. Aktes die Bühne. Senta, die in der von Wagner 1860 neu geschaffenen Fassung zur zentralen Figur wird, die den Holländer von seinem Fluch, ewig zur See fahren zu müssen, erlöst, tritt dagegen erst auf, wenn die Oper fast zur Hälfte vorüber ist. Nicht so in Roger Vontobels Inszenierung am Nationaltheater Mannheim.

Delphina Parenti (Traum-Senta),Michael Bronczkowski (Traum-Holländer) und Daniela Köhler (Senta) © Christian Kleiner

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Happy End einer Dystopie: Axel Ranisch inszeniert Humperdincks Hänsel und Gretel an der Oper Stuttgart

1973 kam ein Film in die amerikanischen Kinos, der radikal vor einer drohenden Umweltzerstörung warnte. Er zeichnete ein hoffnungslos überbevölkertes New York in einer Welt, in der die Natur keine Nahrung mehr spendet und in der die Menschen mit farbigen Talern der Firma Soylent (abgeleitet von Soya und lent = Linse) abgespeist werden. Besonders begehrt, aber teuer das angeblich aus Plankton hergestellte grüne Soylent, das, so entdeckt ein alter Bürger, der noch echtes Gemüse kennengelernt hat, aus Menschenleichen hergestellt wird. Ob dieser Erkenntnis verschreibt er sich einer „Tötungsanstalt“, die ihm einen sanften Tod bei Naturbildern und Beethovens Pastoralsymphonie ermöglicht – ein Film, der Axel Ranisch 2022 bei seiner Stuttgarter Inszenierung von Engelbert Humperdincks Oper Hänsel und Gretel inspiriert haben könnte, ein Film, der in die deutschen Kinos unter dem Titel …Jahr 2022…die überleben wollen kam.


Ida Ränzlöv (Hänsel), Catriona Smith (Mutter)Foto: Matthias Baus

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Auftakt zur Revolution. Mozarts Le Nozze di Figaro an der Staatsoper Hannover

Es war schon kühn von Mozart, den Schriftsteller Lorenzo Da Ponte damit zu beauftragen, ausgerechnet die Komödie Der tolle Tag oder die Hochzeit des Figaro von Beaumarchais zu einem Opernlibretto umzuarbeiten, denn in Frankreich war dieses Stück verboten, prangerte es doch die Selbstherrlichkeit des Adels an, und in Wien verbot der Kaiser die deutschsprachige Version auf der Bühne, wenn auch nicht im Druck. Aber Mozart erhielt die Genehmigung zu dieser Oper, und bei der Uraufführung war der Kaiser höchstselbst anwesend. Ob er das auch getan hätte, wenn er die neue Inszenierung an der Staatsoper Hannover gekannt hätte, ist fraglich.

Sarah Brady © Sandra Then

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Zwischen nostalgischer Märchenwelt und aktueller Realität: Sebastian Schwabs Kinderoper Holle!

1997 gründete der damalige Stuttgarter Opernintendant Klaus Zehelein die Junge Oper Stuttgart, die Opernproduktionen für Kinder und Jugendliche und mit ihnen erarbeiten und aufführen sollte, um so das Publikum von morgen zu bilden. Zugleich wurden pädagogische Konzepte für die großen Opernproduktionen am Haus erarbeitet und mit Musiklehrern als Vorbereitung für den Opernbesuch von Schulklassen im Großen Haus entwickelt. Seit Amtsantritt des jetzigen Intendanten Viktor Schoner hat sie ein eigenes Domizil im so genannten Nord, dem Probenzentrum der Staatsoper, erhalten mit eigenen Räumen und einer Bühne – die Junge Oper im Nord, JOiN. Dort hatte jetzt ein Auftragswerk von Sebastian Schwab Uraufführung: Holle!, coronabedingt zunächst nur im Internet.

Maria Theresa Ullrich © Matthias Baus

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Liebe in der Pubertät: Donizettis Liebestrank bei der Opera Zuid, Maastricht

Die Opera Zuid in Maastricht ist streng genommen keine Oper, macht aber Oper. Ein eigenes Haus gibt es nicht. Die Gesellschaft verteilt sich auf vier Standorte, die Büros befinden sich in einem anderen Stadtviertel als das Kostümatelier, die Requisiten lagern wieder woanders, und geprobt wird in der Malpertuiskerk. Die Aufführungen finden an verschiedenen Orten statt, aber eines zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit: Die Künstler sind allesamt jung – und voller Spieldrang, wie die neueste Produktion beweist: Donizettis Liebestrank.

José Romero (Nemorino), Julietta Aleksanyan (Adina) © Bjorn Frins

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Viel Konversation, wenig Erotik: Richard Strauss‘ Capriccio an der Semperoper in Dresden

Fast schien es, als habe Richard Strauss in die absolute Moderne vorstoßen wollen. Mit seiner Oper Elektra ging er bis an die Grenze zur Atonalität, doch danach bewegte er sich gewissermaßen musikhistorisch rückwärts, schrieb mit dem Rosenkavalier gar eine Oper, der man gelegentlich allzu viel Zuckerguss vorwarf, und 1942, mitten im 2. Weltkrieg, tauchte er mit seiner letzten Oper Capriccio in die Welt des Rokoko ein – Weltflucht oder innere Emigration, zumal die Handlung absolut unpolitisch ist. Regisseur Jens-Daniel Herzog hat nun an der Semperoper in Dresden die politische Welt der Entstehungszeit der Oper zurückgeholt.

Daniel Behle (Flamand), Georg Zeppenfeld (La Roche), Nikolay Borchev (Olivier), Jana Mesgarha (Cover-Gräfin) © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

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