Archiv der Kategorie: Musik

Von Leben durchpulst – „Tristan und Isolde“ an der Oper Stuttgart

Tristan und Isolde“ von Richard Wagner ist eine Herausforderung – an die Zuschauer, schließlich dauert eine Aufführung in der Regel fünf Stunden, an die Sänger der Titelrollen, die ein halbstündiges Liebesduett gestalten müssen, an den Dirigenten, der große Leidenschaften entfesseln muss, Wagner hielt diese Musik denn auch für eine Gefahr für die Zuhörer wegen ihrer emotionalen Intensität, und an den Regisseur, denn an Handlung geschieht auf der Bühne fast nichts, es geht im Wesentlichen um innere Zustände: Isolde und Tristan verlieben sich durch einen Liebestrank unsterblich ineinander, obwohl Isolde König Marke zur Frau gegeben wurde, wenn auch gegen ihren Willen. Am Ende steht der Tod. In Stuttgart inszeniert der Intendant der Oper, Jossi Wieler, wie stets zusammen mit seinem Dramaturgen Sergio Morabito.

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                                Erin Caves (Tristan), Shigeo Ishino (Kurwenal. Foto: A.T.Schaefer

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Wiederentdeckung nach 250 Jahren: Niccolò Iommellis „Vologeso“ in Stuttgart

Er zählte zu seinen Lebzeiten zu den begehrtesten Komponisten: der Italiener Niccolò Iommelli. Mit 35 Jahren war er bereits Vizekapellmeister am Vatikan, Papst Benedikt XIV., persönlich setzte sich für ihn ein, doch Iommelli folgte dem Werben des württembergischen Herzogs Carl Eugen, als dessen hoch dotierter „Oberkapellmeister“ er u.a. 21 Opern komponierte, die in Stuttgart, Ludwigsburg und Tübingen uraufgeführt wurden, darunter auch „Il Vologeso“. Zu Iommellis 300. Geburtstag brachte die Oper Stuttgart 2015 dieses Werk unter dem Titel „Berenike, Königin von Armenien“ auf die Bühne, in der Regie von Hausherr Jossi Wieler zusammen mit seinem Dramaturgen Sergio Morabito.

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Ana Durlovski, Catriona Smith, Sebastian Kohlhepp, Igor Durlovski, Helene Schneiderman, Mitglieder des Staatsorchesters Stuttgart. Foto: A.T.Schaefer

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Wieviele Frauen braucht der Mann? Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ an der Oper Stuttgart

Braucht Hoffmann wirklich drei Frauen, von denen er in Jacques Offenbachs Oper erzählt? Oder sind es in Wirklichkeit nur drei Facetten des Weiblichen, das er in nuce in einer einzigen Frau verkörpert glaubt, der Opernsängerin Stella, die angeblich, während er mit seinen Saufkumpanen in Lutters Weinkeller den Alkoholspiegel in seinem Blut langsam aber stetig ansteigen lässt, im Opernhaus nebenan Mozarts Donna Anna singt – angeblich, denn in Offenbachs Oper bzw. in Hoffmanns Universum weiß man nie, woran man eigentlich ist. Zumal, dies einer der grandiosen, subtilen Einfälle Offenbachs, diese Sängerin in seiner Oper als einzige Figur nicht singt – sie ist eine Sprechrolle.

Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln 19. März 2016 Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling, Gregor Bühl Regie: Christoph Marthaler Regie-Mitarbeit: Joachim Rathke Bühne und Kostüme: Anna Viebrock Licht: Olaf Winter Choreografie: Altea Garrido Chor: Christoph Heil Dramaturgie: Malte Ubenauf Auf dem Bild: Marc Laho (Hoffmann), Staatsopernchor Stuttgart, Graham F. Valentine (Spalanzani) Foto: A.T. Schaefer

Marc Laho (Hoffmann), Staatsopernchor Stuttgart, Graham F. Valentine (Spalanzani) Foto: A.T. Schaefer

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Bizets Amour fou als Albtraum an der Oper Stuttgart

Bizets „Carmen“ leidet am Postkartenklischee ihrer Rezeptionsgeschichte. Bizets Titelfigur scheint festgelegt auf die selbstbewusste Frau, die Verführertin schlechthin, ja sogar den Vamp – eine Vorläuferin von Alban Bergs Lulu. Regisseur Sebastian Nübling scheint vordergründig diesem Klischee zu folgen, und doch bricht er es zugleich auf. Er niszeniert nicht die tragische Liebesgeschichte des in die hübsche temperamentvolle Frau vernarrten Sergeanten Don José, er inszeniert all jene Männerträume, die zu dem Zerrbild dieser Carmen geführt haben.

Carmen von Georges Bizet in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln Wiederaufnahme 21. Februar 2016 Musikalische Leitung: Marc Soustrot, Willem Wentzel Regie: Sebastian Nübling Bühne und Kostüme: Muriel Gerstner Licht: Gérard Cleven Video: Gabriele Vöhringer Chor und Kinderchor: Christoph Heil Dramaturgie: Xavier Zuber Auf dem Bild: Luis Hergón (Surplus),  Erin Caves (José) Foto: A.T. Schaefer

Luis Hergón (Surplus), Erin Caves (José). Foto: A.T. Schaefer

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Liebesfreud ist Liebesleid? Henry Purcells „Fairy Queen“ in Stuttgart

Schon die Uraufführung bereitete Probleme. Henry Purcell hatte zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ eine umfangreiche Musik geschrieben, keine richtige Oper, aber mehr als nur ein wenig Schauspielmusik – teuer also, weil man ein Schauspiel- und ein Opernensemble braucht. In Stuttgart haben sich jetzt beide Sparten der Württembergischen Staatstheater zusammengetan – unter der Regie des gelegentlich als blutrünstiger Berserker bekannt gewordenen Calixto Bieito.

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Foto: Julian Roeder. Württembergische Staatstheater

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2015 – ein Annus Mirabilis an der Oper Stuttgart

Die Württembergischen Staatstheater bieten derzeit ein seltsames Kontrastprogramm. Das Stuttgarter Ballett setzt wie gewohnt auf die publikumswirksame Mischung aus sehr viel Tradition (natürlich Cranko sowie Kylian, Béjart, erfreulicherweise auch wieder van Manen), sowie einige (viel zu wenige) Kostproben aus dem neueren Repertoire (Goecke, Volpi). Das Schauspiel Stuttgart scheint dagegen auf dem besten Weg, sein jahrzehntelang bewährtes und treues Stammpublikum zu verlieren; nicht selten verlassen Zuschauer scharenweise die Premierenvorstellungen in der Pause, die Kritik reagiert mit Ironie (ein Intendant verliert sein Gefolge – FAZ; eine unheilvolle Allianz aus Ambition, Arroganz, und Ignoranz – Stuttgarter Zeitung). Die Oper Stuttgart aber kann auf ein Jahr der künstlerischen Triumphe blicken. Keine der vier Premieren geriet auch nur in die Nähe des Mittelmaßes, im Gegenteil. Weiterlesen

Ein Mädchen in einer grausamen Welt. „Salome“ an der Oper Stuttgart

Sie gilt neben Alban Bergs Lulu wohl als der Inbegriff weiblicher Verführung auf der Opernbühne, vielleicht auch als Femme fatale. Von wilder Liebe zum Propheten Jochanaan ergriffen – das ist Johannes der Täufer in der Bibel -, der sich ihrer Begierde aber verweigert, fordert sie am Ende den Tod des Propheten. Er wird ihr entsprechend ihrem Wunsch auf einem Tablett gereicht und am Ende ihrer großen Schlussarie küsst sie ihn. Die Rolle ist eine Herausforderung. Zum einen, weil sie sich den Kopf des Geliebten mit einem erotischen Tanz der sieben Schleier erkauft, was nicht jede Sängerin ohne weiteres gern macht, zum zweiten, weil sie zwar noch ein Mädchen ist, stimmlich aber hochdramatisch sein muss. An der Oper Stuttgart hat der russische Regisseur Kirill Serebrennikov eine neue Sichtweise auf die Bühne gebracht.

Salome von Richard Strauss 22. November 2015 Musikalische Leitung: Roland Kluttig, Georg Fritzsch Regie und Kostüme: Kirill Serebrennikov Bühne: Pierre Jorge Gonzalez Video: Ilya Shagalov Licht: Reinhard Traub Dramaturgie: Ann-Christine Mecke Auf dem Bild: Iain Paterson (Jochanaans Stimme) Foto: A.T. Schaefer

Iain Paterson (Jochanaans Stimme). Foto: A.T.Schaefer

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„Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter.“ Shakespeare und die Musik

Viel hat man Shakespeare angedichtet – kein Wunder, ist er doch die rätselhafteste Figur der Literaturgeschichte, so rätselhaft, dass man heute noch spekuliert, wer eigentlich hinter diesem Namen stecken könnte, denn allzu unglaubwürdig scheint die Tatsache, dass sich ein junger Mann aus der Provinz (aus Stratford) auf den Weg nach London macht, dort innerhalb weniger Jahre zum bedeutenden Theaterdichter avanciert – und möglicherweise zum Liebhaber hochadliger Damen –, dann diesem Theaterleben Adieu sagt und sich wieder nach Stratford zurückzieht. Seine Stücke verraten eine immense klassische Bildung, psychologisches Einfühlungsvermögen, dichterische Ausdruckskraft – und eine große Affinität zur Musik. Ein Kammerkonzert der Oper Stuttgart zeichnet nach, welche Auswirkungen Shakespeare auf die Musikgeschichte hatte.

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Titelseite der ersten Shakespeare-Gesamtausgabe von 1623

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Liebe im Totalitarismus. Beethovens „Fidelio“ in der Inszenierung von Jossi Wieler und Sergio Morabito

Zehn Jahre lang mühte sich Ludwig van Beethoven mit seiner einzigen Oper ab. Erst hieß sie „Leonore“, dazu schrieb er drei Ouvertüren, schließlich entstand „Fidelio“ mit einer ganz neuen Ouvertüre. Es ist ein Loblied auf eheliche Treue, denn Leonore rettet, als Mann verkleidet, ihren Mann Florestan aus dem Willkürgefängnis des Gouverneurs Pizarro. Und auch Regisseure tun sich mit dem Werk schwer, nicht zuletzt wegen der langen Dialoge, die vielen als Inbegriff plumper Biederlichkeit gelten. Manche Dirigenten verzichten ganz darauf. Nicht so Jossi Wieler und Sergio Morabito in ihrer neuen Stuttgarter Inszenierung. Sie lassen sie ungekürzt.

Fidelio von Ludwig van Beethoven 25. Oktober 2015 Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling Regie und Dramaturgie: Jossi Wieler, Sergio Morabito Bühne: Bert Neumann Kostüme: Nina von Mechow Licht: Lothar Baumgarte Chor: Johannes Knecht Auf dem Bild:

Rebecca von Lipinski (Leonore), Michael König (Florestan). Foto: A.T. Schaefer

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Verankert in der deutschen Tradition. Der Dirigent Dan Ettinger

Ein neuer Chefdirigent bei den Stuttgarter Philharmonikern war dringend notwendig, denn der vorherige – Gabriel Feltz – hatte das Orchester bereits 2013 verlassen. Der neue muss nicht weit anreisen, er war bisher Generalmusikdirektor am Nationaltheater in Mannheim – Dan Ettinger. Der 44jährige stammt aus Israel, studierte unter anderem bei Daniel Barenboim und zählt zu den begehrtesten jungen Dirigenten unserer Zeit: Regelmäßig ist er Gast an den Opern von München, Berlin, leitete lange Jahre Sinfonieorchester in Israel und Tokio.

Dan Ettinger dirigiert die Stuttgarter Philharmoniker in der Liederhalle am 04.10.0214 in Stuttgart. Foto: Thomas Niedermueller / niedermueller.de

Dan Ettinger dirigiert die Stuttgarter Philharmoniker in der Liederhalle am 04.10.0214 in Stuttgart.
Foto: Thomas Niedermueller / niedermueller.de

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