Archiv der Kategorie: Kunst

Mein Körper und ich. Antony Gormley im Schauwerk in Sindelfingen

Jeder Mensch hat ihn, bedient sich seiner, ist einer – ein Körper. Er ist dem Menschen Heimstatt, Hülle, Werkzeug, ja Identität, und doch macht man sich in den seltensten Fällen Gedanken über ihn, weil er, wenn gesund, kaum auffällt, jedenfalls nicht einem selbst. Ein Fehler, meint einer der bedeutendsten britischen Bildhauer. Antony Gormley hat sich seit Jahrzehnten mit seinem Körper auseinandergesetzt, von dem er Abdrücke anfertigen ließ, die ihm als Ausgangspunkt für seine Plastiken dienen. Im Schauwerk in Sindelfingen ist sein Körpergefühl nachzuvollziehen: Learning to be.

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Weiblich konkret: Konkrete Künstlerinnen im Kunstmuseum Stuttgart

Es war eine radikale Absage an Inhalte in der Malerei. Persönlicher Ausdruck war verpönt. Es galten nur konkrete Dinge wie Farbe, Linie, Fläche. So definierte Theo van Doesburg 1930 die von ihm mit Freunden konzipierte neue Kunst: Die Konkrete Kunst war geboren, eine Kunstrichtung, die völlig auf gegenständliche Beschreibung, Emotion oder subjektiven Ausdruck verzichten sollte zugunsten einer reinen Form. Nichts sei konkreter als eine Linie, eine Farbe und eine Oberfläche, so formulierte es Theo van Doesburg 1930 in seinem Manifest der Konkreten Kunst, weshalb bei den Künstlern dieser Richtung vor allem der rechte Winkel dominiert, zumindest bei den männlichen. Das Kunstmuseum Stuttgart zeigt jetzt die weibliche Seite der Konkreten Kunst.

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East meets West: Der Maler Xianwei Zhu

Über zweihundert Jahre lang hatte sich Japan von der Außenwelt abgeschottet, 1853 schließlich erzwangen die Amerikaner die Öffnung und veränderten indirekt die Kunst in good old Europe. Denn in großer Zahl gelangten japanische Holzschnitte nach England und Frankreich, erst als Verpackungsmaterial für Tee, alsbald aber auch als eigenwertiger Handelsartikel: Sie wurden der letzte Schrei. Ein regelrechter Kunsthandel entwickelte sich – und hinterließ seine Spuren in der europäischen Kunst, insbesondere der französischen: vor allem lösten sich die Konturen und Formen zunehmend in Licht- und Farbeindrücke auf. Aber natürlich gab es auch Kunsteinflüsse von West nach Ost, wie jetzt eine Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier in Stuttgart mit Werken von Xianwei Zhu zeigt.

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Vom Anhalten der Zeit: Künstlerische Auszeiten im Kunstmuseum Ravensburg

*Sie scheint eindeutig und exakt: die Uhrzeit. Nach ihr bestimmt sich der Arbeitsalltag (früher mit der Stechuhr), nach ihr richten sich Verkehrsströme (Fahrpläne). Sie ist jedoch alles andere als ein Naturgesetz. Die Einteilung des Tages in 24 Stunden à sechzig Minuten galt nicht immer. In der Französischen Revolution versuchte man, einen Zehnstundentag à hundert Minuten einzuführen. Vor allem ist die Uhrzeit ein Korsett, das unser aller Tun regelt, Kein Wunder, dass die Zeit, in der dies nicht gilt, zur schönsten des Jahres zählt – der Urlaub, die Auszeit von der Zeit. Ihr ist jetzt eine Ausstellung im Kunstmuseum Ravensburg gewidmet.

 

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Kunst erleuchtet: Mit der Sammlung des Kunstmuseums Reutlingen „ins Licht“

Der Sammlungsschwerpunkt des Kunstmuseums Reutlingen ist die Druckgraphik, vor allem der Holzschnitt, schließlich hat die Stadt von dem bedeutenden Holzschneider HAP Grieshaber einen repräsentativen Querschnitt durch sein Schaffen erworben. Aber es findet sich auch Malerei in der Sammlung. Ina Dinter, die neue Leiterin des Museums, hat jetzt eine Auswahl aus dem Archiv in einer Ausstellung versammelt, sie gewissermaßen „ins Licht“ geholt, so der Titel, der aber nicht nur die museumsarchivalische Aktion beschreiben soll, sondern auch thematische Leitlinie für die Auswahl war.

Wilhelm Laage, Septemberabend (1924) Foto: Kunstmuseum Reutlingen

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Das Licht und wir: Heinz Mack im Museum Ritter

Als Heinz Mack und Otto Piene sich 1958 in Düsseldorf zur Künstlergruppe ZERO zusammentaten, ging es ihnen um einen Neuanfang in der Kunst, bei dem der Ballast der vorangegangenen Jahrzehnte abgeworfen werden sollte. Das war natürlich mit Blick auf die Nazizeit durchaus politisch gemeint, mit Blick auf Strömungen wie den Expressionismus aber auch rein ästhetisch. So entschieden sie sich für die Nichtfarbe Weiß, mit der Günther Uecker, der alsbald dazustieß, seine Nagelköpfe bemalte, und für das Licht, das Otto Piene mit kinetischen Installationen zu wahren Balletten in Szene setzte. Auch für Heinz Mack war Licht das zentrale Ausdrucksmittel, allerdings setzte er es in einem sehr viel größeren Spektrum ein, wie jetzt eine Retrospektive auf sechzig Jahre seines Schaffens, Mack ist inzwischen neunzig Jahre alt, im Museum Ritter in Waldenbuch deutlich macht: „Werke im Licht (1956-2017)“.

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Synthese von Glaube und Kunst – Siegfried Haas

Jahrhunderte hindurch prägte die Kirche das Kunstgeschehen. Sie war die wichtigste Auftraggeberin, und folglich bestimmte sie auch die Inhalte der Malerei und Bildhauerei. Doch auch nachdem sich die Künstler von ihrem Handwerkerstatus im Dienst der Kirche emanzipiert hatten und sich um sie sogar ein Geniekult entwickelt hatte, malten sie Motive aus der Bibel. Rembrandt schuf gar einen ganzen Passionszyklus ohne kirchlichen Auftrag, und Rubens dürfte seinen hl. Sebastian in erster Linie für sich gemalt haben. Im 20. Jahrhundert, als sich die Malerei zwischen den Polen gegenständlich und ungegenständlich bewegte, komplizierte sich das Verhältnis zwischen Glaube und Kunst, wie jetzt eine Ausstellung von Plastiken von Siegfried Haas in der Rottweiler Lorenzkapelle zeigt: Kunst und Glaube.

Ecce Homo, 1989, Foto: U. Schäfer-Zerbst

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Immer an der Wand lang: Wände in der bildenden Kunst

Die Wand ist ein zwiespältiges Phänomen. Auf der einen Seite definiert sie Räume, mithin also auch Geborgenheit, Privatsphäre, sie bietet Sicherheit gegen das unwägbare Draußen. Andererseits schließt sie auch aus, trennt uns von der Welt der anderen, stellt ein Hindernis dar, auch eine psychische Bedrohung weil Einengung, gegen die wir anrennen wollen. Selbst der Schutzaspekt ist eine Medaille mit zwei Seiten. Die Wand bietet die Möglichkeit zur Anlehnung, aber sie stellt auch den letzten Rückzugspunkt dar, wenn wir mit dem Rücken zu ihr stehen. Kein Wunder, dass sie für die Künstler mehr ist als nur ein architektonisches Alltagselement, wie jetzt eine Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart mit dem schlichten Titel Wände/Walls zeigt.

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Fiktionen der Realität – Positionen moderner Fotografie

Wörtlich genommen heißt fotografieren Zeichnen mit Licht. Das klingt nach bildender Kunst. Doch ursprünglich diente die Fotografie dem Ziel, die Realität möglichst exakt abzubilden, exakter und auch „neutraler“, als dies dem Maler vergönnt war, der seit der Erfindung dieses Mediums denn auch von der Aufgabe, die Realität wiederzugeben, befreit war. Dem trägt eine Bemerkung im Leporello zu einer Ausstellung in der Stuttgarter Galerie Schlichtenmaier Rechnung: es sei nicht möglich zu fotografieren, was nicht vor die Linse zu holen ist, heißt es da, um gleich zu korrigieren, das Ergebnis sei dennoch etwas anderes als das Dargestellte. Und der Ausstellungstitel verstärkt diese Korrektur noch: Die Illusion der Realität.

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Zwischen Innen und Außen: Die Tür aus Sicht der bildenden Künstler

Türen sind letztlich stets eine Sache der Perspektive. Man kann durch sie einen Raum, ein Haus betreten, aber auch verlassen. Türen trennen das Innen vom Außen, sie verbinden aber zugleich auch beide Bereiche, sie grenzen, weil man sie verschließen kann, das Private vom Öffentlichen ab, ermöglichen aber zugleich auch, dass beide Bereiche miteinander verschmelzen. Über diese Janusnatur des Phänomens kann man sich derzeit in der Städtischen Galerie in Bietigheim-Bissingen Gedanken machen, denn sie zeigt, was die Tür an Assoziationen bei Künstlern unserer Zeit ausgelöst hat: Keine Schwellenangst.

Simon Schubert, Tür, 2012 (Ausschnitt), Mixed Media

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