Archiv der Kategorie: Kunst

Miniaturen am Gürtel: Japanische Inrōs im Lindenmuseum Stuttgart

Trotz gelegentlicher Modeströmungen (etwa in den 80er Jahren oder auch wieder in jüngerer Zeit) tun sich hierzulande Männer mit Handtaschen schwer. Sie verstauen ihre Börsen und Taschentücher lieber in den Hosentaschen. Doch was, wenn die Männermode nicht über solche praktischen Accessoires verfügt wie im Japan früherer Jahrhunderte? Wer damals etwas auf sich hielt – und über das nötige Kleingeld verfügte –, investierte in „Inrōs“ – kleine Behälter, die mithilfe eines Knebels (Netsuke) am Gürtel getragen wurden. Und wie so oft in der japanischen Kultur ist alles sehr klein und sehr fein.

Fische und Tintenfisch, Japan, 19. Jh., Inv.Nr. OA 18.517, TI290, OA 19.365, TN 9072, Copyright L (601x900)

Fische und Tintenfisch. Japan, 19. Jh. © Linden-Museum Stuttgart, Foto: Anatol Dreyer

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Zweimal Krieg: Otto Dix und Paul Kälberer

In der Kunstgeschichte zählen Jahre oftmals weniger als im realen Leben. Otto Dix, geboren 1891, und Paul Kälberer, geboren 1896 – zwei Künstler, die sich in ihren jungen Jahren intensiv mit der großen Tradition der europäischen Malerei auseinandersetzen: Dix studiert in Dresden die Alten Meister, deren Maltechnik er später nachahmen sollte, experimentiert aber auch schon früh mit aktuellen avantgardistischen Strömungen wie Kubismus und Futurismus; Kälberer lässt sich auf einer Italienreise nachhaltig von der Frührenaissance anregen, an modernen Einflüssen fehlt es an der Stuttgarter Akademie, nachdem dort mit Adolf Hölzel die abstrakten Tendenzen ein Ende gefunden hatten. Entsprechend unterschiedlich verlaufen die künstlerischen Wege dieser beiden Maler, die jedoch ein zweites biographisches Detail verbindet: Beide melden sich gleich zu Beginn des 1. Weltkriegs freiwillig zum Dienst, beide erkennen aber schon sehr bald die katastrophalen Auswirkungen des Schlachtgeschehens, und beide halten künstlerisch fest, was sie dort erleben – jeweils auf ihre Weise.

 

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Altmodisch oder modern? Gustave Courbet und Carl Schuch

Der eine trat nicht selten wie ein Berserker auf und meinte, einen Schuss „Marktschreier“ könne ein Künstler gut brauchen: Gustave Courbet, der große Realist der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts. Der andere hatte es finanziell nicht nötig, für seine Kunst Reklame zu machen, arbeitete eher im Hintergrund – und ist heute entsprechend wenig bekannt: Carl Schuch, auch er zählt zu den großen Realisten des 19. Jahrhunderts – und ließ sich, knapp dreißig Jahre jünger als Courbet, von dem berühmten französischen Kollegen inspirieren. Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden so konträren Künstlermentalitäten lassen sich nun im Kunstmuseum Hohenkarpfen und dem Stadtmuseum Hüfingen studieren.

 

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Das Rätsel als Normalität – Giorgio de Chirico in der Staatsgalerie Stuttgart

Wenn auf einem Bild ein Blick durch ein Fenster unversehens zu einem Gemälde auf einer Staffelei mutiert, denkt man an René Magritte, ziehen sich Ziffernblätter in die Länge, ist der Name Salvador Dalí bei der Hand, wenn Naturphänomene wie Blätter mit Szenen aus Trivialromanen kombiniert sind, deutet alles auf die Collagetechnik eines Max Ernst – alles Künstler, in deren Werken der Alltag ins Fantastische umkippt. Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt nun in einer großen Ausstellung, dass diese Künstler möglicherweise einen ganz anderen Weg gegangen wären, wenn ihnen nicht ein Italiener maßgebliche Impulse gegeben hätte: Giorgio de Chirico.

 

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Apokalypsen mit dem Kohlestift. Robert Schneiders Reflexionen zu Verdun in Schloss Bonndorf

Fast fünfzig Jahre hatte Gerhard Richter in seiner Fotomaterialsammlung für künftige Gemälde Fotos aus dem KZ Birkenau aufbewahrt. Immer wieder hatte er diese Fotos künstlerisch verarbeiten wollen, doch ein Konzentrationslager, so befand Richter schließlich, könne man nicht abmalen. Das Resultat waren am Ende vier abstrakte Farbimpressionen. Der in Hamburg lebende Maler und Zeichner Robert Schneider hat sich über Jahrzehnte hinweg den großen Weltkatastrophen des 20. Jahrhunderts gewidmet – so etwa Auschwitz und Verdun, und kam zu einem ganz anderen Ergebnis.

Verdun Nr. 1 KohleKarton 102,5x150cm (900x613)

                            Verdun Nr. 1, Kohle/Karton, 102,5x150cm   © VG Bild-Kunst Bonn 2016                         

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Alte Druckgraphik im Computerzeitalter: Wolfgang Neumanns digitale Radierungen

Angefangen hatte alles mit Waffen- und Goldschmieden. Sie rieben Ruß in die Muster, die sie in das Metall geritzt hatten, und druckten die Platten auf Papier – als Werbung für ihre handwerkliche Fertigkeit; die Radierung war erfunden. Mit Dürer und Rembrandt erlebte das Verfahren eine frühe künstlerische Blüte – und wird bis in unsere Gegenwart von Künstlern hoch geschätzt, auch von dem 1977 geborenen Wolfgang Neumann. Er freilich führt sie auf seine Weise in die Kunst der Gegenwart weiter – wie eine Ausstellung im Hospitalhof in Stuttgart zeigt.

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Crloud, 2016 © VG Bild-Kunst Bonn 2016

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Kunst zwischen Wissen und Ahnen – Florian Haller und Sebastian Marokko Walter

Wo das Wissen an seine Grenze kommt, wo die Wissenschaft so theoretisch oder gar hypothetisch wird, dass sie dem „Normalsterblichen“ keinerlei Anschauung mehr vermittelt, da könnte die Stunde der Kunst schlagen, denn sie vermag Phänomene aufleuchten zu lassen, die sich dem rationalen Zugriff entziehen. Eine Ausstellung in der Städtischen Galerie in Schwenningen stellt diese Hypothese nun in Frage. Sie versucht aufzuzeigen, was Kunst und Wissenschaft gemeinsam haben könnten.

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Haller+Walter_Eröffnung

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Vorher – Nachher? Kunst als Zwischenwelt im Museum Art Plus Donaueschingen

Vor dem Museum Art Plus stehen dicht an dicht zwei Telefonzellen. Zwischen ihnen wölbt sich eine Art Kissen – aus Metall. „Rohrschachtelefon“ nennt Sebastian Kuhn seine Arbeit und bietet eine Einstimmung auf das, was im Museumsgebäude folgt: Eine Auseinandersetzung mit dem „“Between“, so der Ausstellungstitel, dem „Dazwischen“ – in diesem Fall der Frage: Was geschieht zwischen den Zellen, was geschieht mit denen, die versuchen in den Zellen zu kommunizieren, denn statt der Telefonapparate finden sich lediglich Neonröhren und Spiegel: Wer hier telefonieren will, ist ganz auf sich geworfen.

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Malen als Schöpfungsakt. Fred Thieler

Es gibt Künstler, die man auf den ersten Blick einer Stilrichtung zuordnen kann. Dazu zählt gewiss Fred Thieler. Mit seinen Farbimpressionen und -landschaften, die wie zufällig auf Leinwand und Papier entstanden zu sein scheinen, ist er ein Musterbeispiel für die Richtung, die als „Informel“ in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts die Kunstentwicklung prägte und für deren Charakterisierung sich Begriffe wie “Formlosigkeit“ und „uneingeschränkte Spontaneität“ eingebürgert haben. Beide treffen auch auf die Gemälde von Fred Thieler zu – und doch, wie eine Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier deutlich macht, beileibe nicht nur.

 

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Fragil – Stabil: Angela M. Flaig und Armin Göhringer in der Zehntscheuer Rottenburg

Geometrische Körper aus Samen – ätherische weißliche Luftgebilde, die beim leisesten Lufthauch zu zerfallen drohen auf der einen Seite. Baumstämme mit der Kettensäge bearbeitet, zerlegt in lauter Einzelteile, schwarz bemalt, dass man die Maserung des Holzes kaum mehr erkennen kann auf der anderen Seite. In der Zehntscheuer Rottenburg begegnen sich mit Arbeiten von Angela M. Flaig und Armin Göhringer Gegensätze, wie sie krasser kaum sein könnten, und dennoch entstand eine Ausstellung von faszinierender Geschlossenheit.

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Angela Flaig, Schalen

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