Archiv der Kategorie: Kunst

Duchamp und die Folgen: Das Readymade macht Geschichte

Es war eine der folgenschwersten Revolutionen in der Geschichte der Kunst. 1913 montierte Marcel Duchamp ein handelsübliches Fahrrad-Vorderrad auf einen Hocker und erklärte es zum Kunstwerk. Es war das erste Readymade der Kunstgeschichte. Ein Jahr darauf tat er dasselbe mit einem ebenfalls überall erhältlichen Flaschentrockner. Das war der Beginn der Konzeptkunst, vor allem revolutionierte es den Kunstbegriff, denn ein Kunstwerk musste seither nicht mehr durch das Genie und die Fertigkeit eines Künstlers hergestellt werden, es reichte das Diktum: Dies ist Kunst. Das Positive für die nachfolgenden Künstler: Alles konnte in ihre Kunst eingehen. Die Kehrseite der Medaille: Was immer sie an Gebrauchsobjekten verwendeten – sie gerieten in Gefahr, epigonenhaft zu wiederholen, was Duchamp erreicht hatte. Eine Ausstellung in der Kunsthalle Göppingen zeigt, wie Künstler bis heute dieser Gefahr entgehen konnten.

 

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Wandverkleidung als Kulturträger. Die altrömischen Campana-Reliefs im Schloss Hohentübingen

Archäologie ist häufig „Stückwerk“. Nicht immer hat der Forscher das Glück, ganze Statuen zur Verfügung zu haben, erst recht nicht Objekte in dem Lebenszusammenhang, in dem sie den Griechen oder Römern vertraut und geläufig waren und der zur möglichst detaillierten und anschaulichen Rekonstruktion der Lebensgewohnheiten nötig wäre. Das gilt auch für die so genannten Campana-Reliefs, so benannt, weil ein gewisser Giampietro Campana ihnen als einer der ersten seine Sammelleidenschaft und sein wissenschaftliches Interesse gewidmet hat. Sie finden sich in renommierten Häusern wie dem British Museum und dem Louvre – und im Archäologischen Institut der Universität Tübingen. Lange Zeit als irrelevant abgetan, gerieten sie erst vor einem halben Jahrhundert in den Fokus der Wissenschaft – und derzeit in eine Ausstellung im Tübinger Schloss.

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Herakles kämpft gegen die Hydra von Lerna. Foto: Thomas Zachmann

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Der Spiegel als Bild: Reflexionen im Schauwerk Sindelfingen

Eines der berühmtesten Spiegelbilder in der Literatur ist tödlich. Fasziniert von der Schönheit seines Antlitzes, das ihm die Oberfläche eines Sees reflektiert, erkennt der junge Narziss die Unerfüllbarkeit dieser Liebe. So erzählt es Ovid in seinen Metamorphosen, so hat es Caravaggio im 16. Jahrhundert im Bild festgehalten und im 20. auch Salvador Dalí. In einer großen Ausstellung im Sindelfinger Schauwerk könnte der Besucher derzeit in Gefahr geraten, auf den Spuren dieses Narziss zu wandeln, denn hier dreht sich alles um die Spiegelung.

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Grau in Grau. Die Raumwelten des Ben Willikens

Es kann ein Symbol für Sachlichkeit sein, für Würde und Neutralität, aber auch für Tristesse, Trübsal, Einsamkeit: Grau ist vielseitiger, als man landläufig meint, es kann positive Konnotationen in sich tragen, wird aber meist negativ gesehen als grauer Alltag, graue Maus, graue Theorie. Für Ben Willikens wurde es die Farbe seines Künstlerlebens; seit den 70er Jahren ist Grau geradezu zum Markenzeichen seiner Malerei geworden – die Farbe Grau und das Motiv Raum. Die Kunsthalle Weishaupt hat ihm jetzt in Ulm eine umfangreiche Retrospektive gewidmet.

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Raum 608: Abendmahl, 2009. Sammlung Siegfried und Jutta Weishaupt © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

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Kunst im Kopf? Georg Baselitz und Albert Oehlen im Kunstverein Reutlingen

Kunstliebhaber haben es derzeit in Reutlingen nicht einfach. Die Städtische Galerie präsentiert die Südseereise, die der Maler Max Pechstein mit seiner Frau Lotte 1913 unternahm, und will das bisher gängige Bild dieser Reise zurechtrücken. Das gelingt im Katalogbuch vorzüglich, doch die Ausstellung bleibt hinter diesem Anspruch zurück und zeigt einmal mehr Pechsteins verklärtes Südseebild. Beim Kunstverein Reutlingen könnte sich der Besucher sicher wähnen. Dem Verein gelang es, mit Georg Baselitz und Albert Oehlen zwei wichtige Vertreter der Nachkriegskunst zu engagieren, doch wer bei Baselitz dessen auf dem Kopf stehende Figuren erwartet, wird enttäuscht, muss umdenken.

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Zwischen Traum und Wirklichkeit: Max Pechsteins Bild von der Südsee

Gauguin hatte es allen vorgemacht. Des Lebens in Paris überdrüssig, suchte er in der Südsee sein Paradies, hielt sich mehrfach auf Tahiti auf. Diesem Beispiel folgten dreißig Jahre danach Künstler, die sich unter dem Namen „Die Brücke“ zu einer neuen Kunst zusammengefunden hatten – Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde und Max Pechstein. Sie alle brachten wie Gauguin von ihrer Reise einen neuen Malstil mit, vereinfacht in den Formen, sie alle hatten mit den in der Südsee oder danach entstandenen Gemälden Erfolg, wie auch Gauguin, und noch heute wird Pechsteins Reise gern als Fahrt ins Paradies präsentiert, so geschehen vor zwanzig Jahren im Spendhaus in Reutlingen. „Das ferne Paradies“ hieß die Schau damals in Zusammenarbeit mit dem Museum in Zwickau. Das scheint sich zu wiederholen: „Der Traum vom Paradies“ heißt die neue Präsentation, wieder in Koproduktion mit Zwickau, jedoch ergänzt durch den Untertitel: „Max und Lotte Pechstein in der Südsee“, und das ist ein entscheidender Unterschied.

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Bewegte Plastik – das bildhauerische Schaffen von Gerlinde Beck

Reglos sind sie, „statuarisch“, und stumm – das gilt jedenfalls für den Großteil aller Statuen seit der Antike. Im 20. Jahrhundert hat die Plastik oder Skulptur sich zwar verändert, sie wurde weniger sich selbst genügend, der Umraum der Arbeit ging in die Gestaltung ein, doch grundlegend hat sich am Charakter des stummen Starren wenig geändert. Grundsätzlich gilt das auch für die Arbeiten der 2006 verstorbenen Bildhauerin Gerlinde Beck, und doch hat sie im Laufe ihres Schaffens eine ganz eigene Form der Plastik kreiert. Die Städtische Galerie Böblingen zeigt jetzt einen Überblick über diese Entwicklung.

beckg_s_80-001-m-700x464Skulptur in Röhrenlandschaft, 1972 © VG Bild-Kunst Bonn 2016

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Abstrakte Malerei im Blumenbild – Emil Nolde

1930 bezog Emil Nolde ein Haus bei Seebüll, das er selbst entworfen hatte – modern nach dem Vorbild der klaren Linien, wie sie das Bauhaus lehrte. Und auch der Garten voller farbenfroher Blumen folgte seinem Entwurf und sieht heute noch so aus wie zu seinen Lebzeiten, und aus diesem Garten bezog er die wesentlichen Impulse für seine Malerei. Eine Ausstellung im Kunstmuseum Ravensburg zeigt, dass er durchaus als Blumenmaler bezeichnet werden kann, aber nicht, weil er unbedingt Blumen malen wollte – Blumen waren für ihn nur Anlass für einen expressiven Umgang mit Farbe.

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Ein Drucker aus Passion – der Holzschneider Klaus Herzer

Ein Fachwerkhaus aus dem Jahr 1700, lange Zeit Sitz der Schultheißen von Öschingen auf der Schwäbischen Alb, hat seit 2001 einen neuen Namen: Holzschnittmuseum Klaus Herzer. Das ist ein etwas umständlicher Name, und doch wird er dem gerecht, was den Besucher in diesem ehrwürdigen Gebäude empfängt: ein Museum, das dem Holzschnitt gewidmet ist, und zugleich ein Museum, in dessen Zentrum das Lebenswerk des 1932 geborenen Druckgraphikers steht.

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Zeichen VI 1972

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Grenzgänger zwischen Natur und Kunst – herman de vries

Sein Atelier sind die Wälder und Felder im Steigerwald, streng genommen sogar die ganze Welt, denn überall auf dem Globus hat er die Materialien gesammelt, die seine Kunst ausmachen. Herman de vries ist gelernter Gärtner – und zugleich einer der begehrten Künstler unserer Zeit. 2015 hat er – viel beachtet – den niederländischen Pavillon auf der Biennale von Venedig gestaltet. Jetzt zeigt die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Werke des 1931 in Alkmaar geborenen Künstlers aus drei Jahrzehnten seines Schaffens.

02_devries_from_earth_deutschland_2006_mkk-in-1100x613               from earth – Deutschland, 2006. Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt. Foto: Helmut Baue

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