Archiv der Kategorie: Kunst

System und Fantasie – konkrete Kunst als optisches Labor

Nichts sei konkreter als eine Linie, eine Farbe und eine Oberfläche, so formulierte es Theo van Doesburg 1930 in seinem Manifest der konkreten Kunst und legte damit den Grundstein für eine Kunstrichtung, die völlig auf gegenständliche Beschreibung, Emotion oder subjektiven Ausdruck verzichten sollte zugunsten einer reinen Form. Sie hat bis heute nichts an Faszination verloren, obwohl sie dem Betrachter nicht immer leicht zugänglich ist, entwerfen die Künstler in ihr doch meist mathematisch fundierte Systeme, deren Möglichkeiten sie dann austesten. Seit dreißig Jahren hat sie in Reutlingen in einer auf der Privatsammlung von Manfred Wandel basierenden Stiftung ein international renommiertes Forschungsforum. Jetzt sind Teile davon durch eine Schenkung in die Sammlung des Kunstmuseums Reutlingen übergegangen, deren neue Sparte „Kunstmuseum Reutlingen / konkret“ nun einen ersten Überblick präsentiert: „Arbeiten aus System.“

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Künstliche Realitäten: Der Maler Julius Herburger

Das Frühwerk eines Malers ist meist geprägt durch ein Suchen: Man kann Vorbilder erkennen, die zum Teil noch epigonal verarbeitet wurden, man kann tastende Versuche ausmachen, aus denen sich dann möglicherweise das herausschälte, was als typischer Personalstil später zur Reife gedeihen sollte. Bei zwei Künstlern, die in den 20er Jahren an der Stuttgarter Akademie studiert haben, war das anders. Wilhelm Geyer verblüffte schon als Student mit einer Auflösung der Figuren in lauter Farbklänge, die er beibehalten sollte, und Julius Herburger, wie Geyer Student bei Christian Landenberger, entwickelte eine Bildgestaltung, die einzigartig in dieser Zeit dastand. In der Kunststiftung Hohenkarpfen lässt sie sich derzeit nachvollziehen.

                                                           Vier Männer am Strand, 1926

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Malerei ganz aus dem Malakt heraus: Wilhelm Geyer

So radikal die Moderne den Gegenstand aus der Malerei auch entfernt haben mag – dieser Auflösungsprozess nahm eine lange Zeit in Anspruch. Die Kubisten nahmen sich für ihre formale Zerlegung die Geometrie zu Hilfe, die Expressionisten die jeglicher Natürlichkeit entgegenstehende Farbgebung, aber schon der Impressionismus läutete diesen Vorgang ein, so sehr er auch der Landschaft und dem Licht in der freien Natur noch verpflichtet war. Wilhelm Geyer schlug einen ganz eigenen Weg ein, wie jetzt eine Ausstellung in der Städtischen Galerie Böblingen belegt.

                            Vierflügelaltar „Das Kirchenjahr“. Advent – Verkündigung, 1925/26

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Wirklichkeits-Bilder: Fotografien der letzten fünfzig Jahre im Schauwerk Sindelfingen

Sie diente dem Ziel, die Realität möglichst exakt abzubilden, die Fotografie sollte es exakter und auch „neutraler“ ermöglichen, als dies dem Maler vergönnt war, der etwa in der Porträtmalerei dem Modell zwar möglichst nahe kommen wollte, indem er es „naturgetreu“ wiedergab, der sich aber dennoch bereits durch den Pinselstrich von der Realität entfernte. Kunstcharakter wurde der Fotografie denn auch zunächst einmal abgesprochen. Der Künstler erschaffe die Wirklichkeit, so meinte noch 1963 der Kunsttheoretiker Karl Pawek, der Fotograf sehe sie. Doch da hatte diese Erfindung längst Einzug in die Kunstwelt gehalten und wurde 1977 auf der documenta mit einer eigenen Abteilung geadelt. Das Schauwerk Sindelfingen ermöglicht nun einen Einblick in das Wesen moderner Fotografie während der vergangenen fünfzig Jahre.

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Die Vergangenheit im Bild – die Antike in Graphiken aus der frühen Neuzeit

Der Fotoapparat sowie in letzter Zeit dank besserer Qualität der Kameras, das Mobiltelefon sind unverzichtbar. Wer Rom besucht, will festhalten, was dort von der Antike vor über zweitausend Jahren noch übrig ist: Man bestaunt die Säulen auf dem Forum Romanum, das Kolosseum, das Pantheon – und will es zuhause gleichermaßen tun. Dieses Bedürfnis, sich der Antike in der Stadt am Tiber zu nähern, hatten freilich auch schon unsere Vorfahren zu Beginn der Neuzeit, wie eine Ausstellung des Museums der Universität Tübingen zeigt, nur übernahmen da die Künstler, was heute jeder Laie vermag.

Giovanni Battista Piranesi, Sybillen-Tempel in Tivoli, 1761

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Einheit in der Vielfalt: Das künstlerische Werk von Winand Victor

Es gibt Künstler mit einer unverwechselbaren Handschrift. „Man“ erkennt einen Picasso, einen Dalí, einen Schmidt-Rottluff. Dann wiederum gibt es Künstler, die in ihrer Laufbahn unterschiedliche und sogar sehr verschiedene Phasen entwickelt haben. Wer sich mit Winand Victor auseinandersetzt, ist allerdings mit einer solchen Vielfalt an Stilen, Techniken und Motiven konfrontiert, dass man sie kaum einem einzelnen Künstler zuordnen möchte. So finden sich figürliche Darstellungen neben abstrakten Kompositionen, Materialbilder und zurückhaltende flächige Gemälde, kosmische Visionen neben Großstadtbildern. Und doch gibt es Gemeinsamkeiten, die all diese divergent wirkenden Arbeiten zur Einheit fügen, wie eine Ausstellung im Reutlinger Spendhaus zeigt.

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Museum grenzenlos – Das Museum der Fantasie des Lothar-Günther Buchheim

Weltberühmt wurde er mit dem Roman Das Boot. Darin verarbeitete Lothar-Günther Buchheim seine Kriegserlebnisse auf einem U-Boot. Es wurde in achtzehn Sprachen übersetzt und verfilmt. Doch früh schon trat er auch als Künstler hervor, galt als malendes Wunderkind, schrieb Bücher über Picasso, Braque, vor allem über die deutschen Expressionisten, gründete einen Kunstverlag – und sammelte. Das Ergebnis, somit sein Lebenswerk, brachte er in einem spektakulären Museum, am Ufer des Starnberger Sees unter, das inoffiziell als Buchheim Museum firmiert, offiziell Museum der Fantasie heißt.

Christian Rohlfs, In Andechs. Um 1924 © Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See/Langfristige Leihgabe aus Privatsammlung

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Individuelle Allgemeinheit: Hyperrealistische Plastik in der Kunsthalle Tübingen

Aufgrund schlechter Erfahrungen zum Frauenhasser geworden, zog sich ein Bildhauer ganz in seine Kunst zurück und schuf – eine perfekte Frauenstatue, so perfekt, dass er sich in sie verliebte. So erzählt es unter anderem Ovid von Pygmalion und schuf damit die Basis für eine Tradition in der Bildhauerei, in der eine möglichst lebensechte Darstellung der menschlichen

Figur angestrebt wird, die freilich zugleich auch idealisiert ist, ob nun beim David eines Michelangelo ist oder beim Apollo von Belvedere. Daran hat sich auch im 20. Jahrhundert fast nichts geändert – außer der Technik und dem Material, wie eine Ausstellung in der Tübinger Kunsthalle belegt.

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Günther Förg – Malen in einer Zeit des „Anything goes“?

Marcel Duchamp hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Kunstbegriff revolutioniert. Von da an galt nicht die geniale künstlerische Handschrift als Ausweis dessen, was Kunst ist, sondern der Wille des Künstlers mit der Folge, dass alles Kunst sein konnte – folglich auch alle Materialien zur Herstellung von Kunst eingesetzt werden konnten. Zur selben Zeit machte Kasimir Malewitsch mit seinem Schwarzen Quadrat deutlich, dass Kunst mit der Erfindung von Gegenstandswelten nichts mehr zu tun haben muss. Kunst war grenzenlos geworden – eine Chance zu Beginn, doch spätestens ab der Mitte des 20. Jahrhunderts auch ein Problem zumal für junge Künstler. Das kann man beispielhaft in einer Ausstellung mit Werken von Günther Förg im Reutlinger Kunstverein nachvollziehen.

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Von der Lebendigkeit des Alten: Plastiken von Gerda Bier

Es gibt Künstler, die eine Art „Markenzeichen“ haben, an denen man sie sofort erkennt. Das kann eine Handschrift sein wie die dick aufgespachtelte Farbe bei van Gogh, eine Darstellungsweise wie die Multiperspektivität in Picassos Figurenbildern oder eine Formeigenschaft wie die dürren Figuren eines Giacometti. Bei der Bildhauerin Gerda Bier sind es die Materialien: altes Holz und Eisen, aus denen sie neue Skulpturen schafft, und das, wie eine Ausstellung in der Galerie im Prediger in Schwäbisch Gmünd beweist, seit Jahrzehnten.

Türrelikt, 1997

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