Archiv der Kategorie: Kunst

Meister der Schattierung: Der Radierer Felix Hollenberg

Ausgerechnet einer der größten Maler der Kunstgeschichte ebnete der Radierung den Weg in die Hochkunst, denn jahrhundertelang galt sie lediglich als Reproduziertechnik großer Gemälde, mithin also als Kunst eher zweiter Klasse. Rembrandt experimentierte und brachte in die eigentlich auf reine Strichgrafik beschränkte Technik geradezu malerische Qualitäten ein. Dennoch war es noch bis ins 20. Jahrhundert ungewöhnlich, dass sich ein Künstler ganz dieser Technik verschrieb. Felix Hollenberg, Jahrgang 1868, tat es und ging so hochverdient in die Kunstgeschichte ein. Eine Ausstellung im Kunstmuseum Albstadt ehrt ihn mit einer großen Retrospektive – mit gutem Grund, verfügt es doch über den größten Hollenbergbestand überhaupt.

Heide mit Birken, 1890, Ätzradierung. Kunstmuseum Albstadt, Felix Hollenberg-Archiv Foto: Lengerer,Albstadt

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Es werde Licht: Lichte Momente im Stadthaus Ulm

Es ist das in unserem Sprachraum am positivsten besetzte Phänomen. Wann immer das Wort Licht auftaucht, blitzen Konnotationen von Helligkeit auf, damit verbunden Erhellung, Aufklärung, Wissen. Finster ist das Böse, die Unvernunft. Physikalisch ist das schwer erklärbar, denn Licht hat mit strahlender Helle nichts zu tun, Licht ist reine Energie, als solche nicht sichtbar. In einer Ausstellung im Stadthaus Ulm kann man diesem Widerspruch nachspüren, sie zeigt Lichte Momente.

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Malerei zwischen den Extremen. Martha Jungwirth

Abstrakte Malerei ist frei von jeglichem Bezug zur Gegenständlichkeit, so die Definition. Sie beschränkt sich auf Formen und Farbkombinationen, die ganz der inneren Gesetzmäßigkeit des Gemalten folgen, sie ist, sofern sie nicht geometrisch-konstruktivistischen Kompositionsprinzipien folgt, ganz Ausdruck der Körperlichkeit und Befindlichkeit des Künstlers. Doch ist sie auch frei von Bezügen zur Realität? Das Werk der österreichischen Malerin Martha Jungwirth ist seit Jahrzehnten geprägt von dieser Fragestellung. In einer Ausstellung im Kunstmuseum Ravensburg, der bislang umfassendsten dieser ohnehin erst seit rund zehn Jahren von der Kunstöffentlichkeit entsprechend gewürdigten Künstlerin, kann man dieser Dichotomie nachgehen.

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Abstraktion im Dorfleben. Der Maler Jakob Bräckle

Dass Landschaftsbild und abstrakte Kunst kein Widerspruch sein muss, hat Wassily Kandinsky gezeigt. Von diesem Wegbereiter und Theoretiker der abstrakten Kunst gibt es Bilder von den Alpen, auf denen die Gipfel immer mehr geometrisch reduziert wurden, bis nur noch Dreiecke und Spitzen übrig blieben. Dass auch der Biberacher Maler Jakob Bräckle – allerdings Jahrzehnte nach Kandinsky – zu einer abstrakten Malerei fand, war weniger selbstverständlich, begann er doch als getreuer Chronist seiner ländlichen Umgebung. In einer umfassenden und klar gegliederten Retrospektive im Biberacher Museum kann man nachvollziehen, warum dieser Weg eingeschlagen werden konnte.

Sommer, 1945

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Mensch, was bist du? Birgit Jürgenssen – weit mehr als eine Feministin

Cindy Sherman schlüpfte für ihre Fotos in immer neue Kostüme und Figuren, Pipilotti Rist tanzte vor der Kamera mit nackten Brüsten, Rosemarie Trockel verwendete Materialien, die eng mit der traditionellen Rolle der Frau in der Gesellschaft assoziiert werden, und strickte Herdplatten. Wenn Künstlerinnen sich mit der Rolle der Frau im Allgemeinen und der der Künstlerin im Besonderen auseinandersetzen, geht es natürlich um Rollenbilder, aber auch um den eigenen Körper. Das gilt auch für die Österreicherin Birgit Jürgenssen, wenn sie sich etwa eine Schürze aus Blech in Form eines Küchenherdes umhängte. Und doch ist die Kunst der 2003 Verstorbenen vielschichtiger, wie eine erste umfassende Retrospektive in der Kunsthalle Tübingen zeigt.

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Zeitlos modern: Der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck

Zeitlose Gültigkeit und tagespolitische Aktualität sind in der Kunst in der Regel selten vereinbar, meist sogar Gegensätze. Dem Bildhauer Wilhelm Lehmbruck allerdings gelang dieser Spagat, und das, obwohl sein Formenrepertoire eindeutig an klassisch-antiken Vorbildern geschult ist und ausschließlich an der menschlichen Figur durchdekliniert wurde. Die Staatsgalerie Stuttgart, die nach dem Erwerb dreier Lehmbruck-Plastiken und zahlreicher Graphiken über den zweitgrößten musealen Bestand an seinen Werken verfügt, zeigt in einer Ausstellung auf, wie diese Synthese gelang, und führt zugleich in einer mustergültig klaren Präsentation in seine Arbeitsweise und sein künstlerisches Denken ein, die Lehmbrucks Modernität unterstreicht.

Der Gestürzte, 1915

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Ein Holzschneider par excellence: Wilhelm Laage im Kunstmuseum Reutlingen

Verschrieb sich im 19. Jahrhundert ein Künstler der Druckgraphik, gar dem Holzschnitt, verstand er sich wohl eher als zweitrangig, denn dieses Medium galt in erster Linie als Reproduktionsmittel, allenfalls als Illustrationstechnik. Das änderte sich, als mit der Öffnung Japans, das sich jahrhundertelang von der Welt abgeschottet hatte, die feinlinigen ostasiatischen Farbholzschnitte bekannt wurden und als die Künstler zunehmend auf intensiven Ausdruck von Emotionen setzten wie etwa Edvard Munch. Dass sich ein Künstler des Jahrgangs 1868 nahezu vollständig auf den Holzschnitt konzentrierte wie Wilhelm Laage, war freilich dennoch eine Ausnahme, aber für die Nachwelt ein Glück, wie eine Ausstellung im Reutlinger Spendhaus belegt.

Steg am Meer, 1901

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Außer sich: Formen der Ekstase

Konträrer hätten die Griechen sich die Götter nicht vorstellen können. Da ist auf der einen Seite Apoll – Sinnbild für das Schöne, Lichte, die Reinheit und die Künste, vor allem den Gesang und die Dichtung. Und da ist Dionysos, der Gott des Weins und daher wohl auch der Freude, aber auch der Triebhaftigkeit, des Rausches und der Fruchtbarkeit, und auch er ein Quell der Künste; auf den Dionysien entwickelte sich die griechische Tragödie. Dionysos steht für die Extreme, die Unbändigkeit, die Hemmungslosigkeit und damit für die Ekstase. Was dieses Phänomen, das sowohl körperliche als auch emotionale Komponenten hat, verursacht, erkundet eine Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart, schließlich ist Kunst in der Lage, unser Bewusstsein zu verändern und an Grenzen zu treiben, die dem Alltag und der Normalität fremd sind.

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Und sie bewegt sich doch! „Squares in Motion“ im Museum Ritter

Das Kunstwerk ordne Farben und Formen nebeneinander an, so befand Gotthold Ephraim Lessing 1766, im Gegensatz zur Dichtkunst, deren Worte nacheinander folgten. Dichtung sei also Zeitkunst und könne daher Handlungen darstellen, bildende Kunst dagegen nur Gegenstände. Diese Auffassung hat bis heute durchaus Geltung, „Leben“ erhält demnach ein Kunstwerk erst im Geist des Betrachters, in dessen Deutung. Doch seit Beginn des 20. Jahrhunderts begann die Kunst, sich zu bewegen, sei es durch Lichteffekte, sei es durch Motoren. Die von Lessing konstatierte Beschränkung war aufgehoben. Das Museum Ritter führt nun vor, was dabei „Bewegung“ alles sein kann – natürlich, wie stets in diesem Museum, im Quadrat: „Squares in Motion“.

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Vom Ton zum Bild – Bildende Künstler und Johann Sebastian Bach

Die Bedeutung eines Komponisten kann man an der Zahl der Aufführungen und Interpretationen seiner Werke ablesen. Da steht Johann Sebastian Bach gewiss nicht schlecht da. Ein Maß für seinen Rang ist aber auch die Anzahl von Kunstwerken, die durch seine Musik angeregt wurden – und da erwies sich Bach als wahrer Inspirationsquell. So regte seine Musik zahlreiche Musiker an, sei es, seine Werke zu bearbeiten, wie dies Leopold Stokowski mit Orgelstücken für Orchester tat, sei es, Bachs Kompositionen in neuen Tonsprachen weiterzuführen wie etwa Dieter Schnebel. Aber auch die bildenden Künstler ließen sich vor allem von dem Meister der genau strukturierten Komposition anregen, bezeichnenderweise Vertreter der abstrakten Kunst, die sich ganz auf formale Aspekte konzentriert. Aus Anlass der 333. Wiederkehr von Bachs Geburtstag hat das Stadtmuseum Tübingen acht Tübinger Künstler um eine Hommage gebeten.

Axel von Criegern, Brandenburgische Konzerte, 2018

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