Archiv der Kategorie: Kunst

Zwischen Idylle und Apokalypse: Landschaft bei Rudolf Schlichter

Es gibt Bilder von Künstlern, die deren künstlerische Biografie höchst unvollständig wiedergeben. So denkt man bei Otto Dix an die Bilder aus der Weimarer Republik, Szenen der sogenannten Goldenen Zwanziger Jahre, der Tänzerinnen, doch in Berlin und Dresden lebte und wirkte Dix keine zehn Jahre, dann zog er sich unter den Nazis nach Süddeutschland zurück und malte die folgenden drei Jahrzehnte ganz andere Bilder. Ähnlich liegt der Fall bei einem weiteren Vertreter der Neuen Sachlichkeit: Auch mit Rudolf Schlichter assoziiert man Bilder aus dem Berlin der Zwanzigerjahre, wo er u.a. Bertolt Brecht porträtierte. Doch wie Dix zog er sich, wenn auch aus anderen Motiven, nach stark zehn Jahren in seine schwäbische Heimat zurück. Was er da malte, zeigt jetzt eine Ausstellung in der Kunststiftung Hohenkarpfen.

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Picture goes spatial: Malereihochdrei im Museum Reutlingen/konkret

Jahrhundertelang galt das Bild als Fenster zur Welt. Farbe, Linie und Fläche dienten zur Gestaltung einer gegenständlichen Welt, die lange die reale abzubilden trachtete. Dieser Bildbegriff löste sich bereits im Lauf des 19. Jahrhunderts auf, die Zentralperspektive wurde zunehmend bedeutungslos, der Blick konzentrierte sich auf die Farbe und ihre Qualitäten, bis schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts jegliche bildnerische Repräsentation aufgegeben wurde. Alexander Rodtschenko kreierte 1921 die Reine Farbe Rot Gelb und Blau, Kasimir Malewitsch erhob die Kunst zum Selbstzweck, und Theo van Doesburg schuf die auf Linie, Farbe und Fläche als einzigen Gestaltungsmitteln beschränkte Konkrete Kunst. Dass sie im Gefolge den Bildbegriff in ganz neue Dimensionen vorantreiben konnte, zeigt eine Ausstellung im Kunstmuseum Reutlingen/konkret: Malereikonkrethochdrei.

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Bewegung in der Statik: Malerei und Plastik von Horst Reichle

Die Kunst des 20. Jahrhunderts ist geprägt von Grenzüberschreitungen. In der Malerei war es vor allem die Befreiung von der Welthaltigkeit der Bilder, also der Gegenständlichkeit. In der Plastik gingen die Bestrebungen dahin, das Statische, auch Statuarische zu überwinden – durch Kinetik, Lichtprojektionen oder das Mittel der Installation. Der bei Biberach lebende Horst Reichle hat in seinem Spätwerk genau diese Grenzüberwindungen in seine Arbeiten auf ganz eigene Weise eingebracht, wie jetzt eine Ausstellung in Ochsenhausen belegt.

Ein einziger langer Tag, 1998

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Dem Ich auf der Spur: Maria Lassnig in der Staatsgalerie Stuttgart

Jeder Künstler hat sich wohl irgendwann einmal mit dem eigenen Körper beschäftigt und selbst porträtiert, keiner wohl so oft wie Rembrandt, der sein Ich in allen Lebensaltern, Stimmungslagen und Befindlichkeiten festgehalten hat und dabei durch die äußere Haut in sein Inneres vorgestoßen ist. Mit einer ähnlichen Konsequenz hat sich im 20. Jahrhundert die Österreicherin Maria Lassnig mit sich beschäftigt, schließlich kennt man niemanden so gut wie sich selbst. Allerdings ging sie nicht den Weg von außen nach innen, sondern versuchte, gleich das Innenleben zu erfassen und dafür Bildsymbole zu erfinden. „Körperempfindungsbilder“ nannte sie die Ergebnisse. Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt nun eine Auswahl ihrer Arbeiten.

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Traumgebilde auf Leinwand: Bilder von Mandy Kunze und Mitja Ficko

Marcel Prousts Suche nach der verlorenen Zeit beginnt in einem Zwischenreich, dem Zustand zwischen Schlafen und Wachen, dem Dösen, in dem Traum- und Lebenswelt sich seltsam mischen. Man könnte auch sagen: Marcel Prousts Roman beginnt mit einer Einführung in das Wesen der Kunst, die ja auch mit den Elementen unserer Alltagsrealität arbeitet, aber zugleich Räume schafft, die weit darüber hinausgehen, entweder in Visionen oder in das Innere des Ichs. Diesem seltsamen Schwebezustand kann man in der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen anhand zweier Künstler begegnen, die zwar aus unterschiedlichen Lebenswelten stammen – Deutschland und Slowenien – die auf ihren Bildern aber durchaus ähnliche Grenzsituationen entwerfen.

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Glanz und Elend der Geschwindigkeit: Vollgas im Art.Plus in Donaueschingen

Es gilt als der Deutschen liebstes Kind, das Auto, zumindest der männlichen Geschlechts. Stromliniendesign, Metalliclacke, die Vorstellung rasanter Fahrten, Geschwindigkeiten, die an Blitze denken lassen, dazu kräftig aufheulende Motoren, kurz bevor die Wagen dann losdonnern – es sind Klischees, aber durchaus mit realem Hintergrund, die um das Auto ranken, und die Gefahren, die jeder eingeht, der an einem Autorennen teilnimmt, tragen das Ihre dazu bei, dem Auto den Nimbus des Extraordinären zu verleihen. Dass derlei Reize auch die bildenden Künstler nicht kalt gelassen haben, zeigt eine Ausstellung im Museum Art.Plus in Donaueschingen. Vollgas lautet der Titel. Hauptdarsteller: das Auto.

Stefan Rohrer, Vespa, 2007

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Verstörende Welten: Franz Radziwill in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen

Der Technikeuphorie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, für die die Futuristen eine ausdrucksstarke Ästhetik fanden, folgte die Fortschrittsskepsis, die Hybris, der Mensch könne alles machen, wich der Erkenntnis, dass er auch die Welt vernichten könne. Eine solche Entwicklung, für die die Gesellschaft Jahrzehnte brauchte, scheint der Maler Franz Radziwill in wenigen Jahren erfahren zu haben, denn während er in den 20er Jahren noch moderne Schiffe eher neutral porträtierte, in expressionistisch aufgeregtem Duktus, entwickelte er danach einen fast fotorealistischen Stil und schuf mahnende Botschaften in verstörenden Bildern.

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Von der Straße ins Museum: Die Plakatkultur im Paris des Fin de Siècle

Als Josef von Sternberg 1930 Heinrich Manns Roman Professor Unrat verfilmte, ließ er sich von den Plakaten inspirieren, die Ende des 19. Jahrhunderts in Paris zu künstlerischer Blüte gelangten. Marlene Dietrich legt da, wenn sie sich singend als fesche Lola vorstellt, auf einem Kneipenfass sitzend lasziv die Beine übereinander – genauso wie es Jane Avril, die berühmte Tänzerin in Paris, auf einem Plakat tut, das Toulouse-Lautrec für sie 1893 geschaffen hatte. Und der Filmregisseur hatte seine Anregung an der richtigen Stelle gefunden, denn in jenen Jahren entfaltete die bis dahin rein pragmatischen Zwecken dienende Plakatkunst einen künstlerischen Reichtum sondergleichen, und das nicht nur mit dem berühmtesten dieser Künstler, Toulouse-Lautrec. Die Galerie Stihl in Waiblingen zeigt nun die ganze Bandbreite dieses Kulturrauschs: La Bohème. Toulouse-Lautrec und die Meister von Montmartre.

Henri de Toulouse-Lautrec. Ambassadeurs: Aristide Bruant, 1892© Foto: Musée d’Ixelles-Bruxelles, Courtesy Institut für Kulturaustausch, Tübingen 2018

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Vom Nesenbach an die Ilm: Was Adolf Hölzel mit dem Bauhaus zu tun hat

Die klare Linie, der praktische Umgang mit industriell gefertigten Materialien, das nützliche und zugleich ästhetische Design und vor allem die Architektur – wenn der Name Bauhaus fällt, drängen sich meist unvermittelt diese Vorstellungen auf. Schon die Tatsache, dass der Gründer des Bauhauses, Walter Gropius, eng mit Henry van de Velde zusammenarbeitete, dem die Verschönerung der Lebenswelt in allen Bereichen am Herzen lag, zeigt, dass hier Kunst nicht als ästhetische Instanz erneuert werden sollte, sondern als Instanz des Lebens. So ist das Bauhaus nicht zuletzt dank der so unterschiedlichen Künstler, die als Lehrer wirkten, ein Quell der Vielfalt. Eine Ausstellung der Galerie Schlichtenmaier in Stuttgart regt an, das enge Bauhausbild zu revidieren, auch wenn sie den Blick nicht nach Weimar richtet, sondern nach Stuttgart: Von Hölzel zum Bauhaus.

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Kunst entsteht im Kopf: Marcel Duchamp in der Staatsgalerie Stuttgart

Ein „Markenzeichen“ eines Künstlers liefert eine Handhabe, mittels derer man sich einem komplexen Werk nähern kann. Doch ein Markenzeichen ist zugleich eine Reduktion, denn es simplifiziert, bringt auf einen Nenner, was vom Wesen doch vielschichtig sein sollte. So erging es einem der radikalsten Neuerer in der Kunst des 20. Jahrhunderts: 1913 montierte Marcel Duchamp ein handelsübliches Fahrrad-Vorderrad auf einen Hocker und erklärte es zum Kunstwerk. Es war das erste Readymade der Kunstgeschichte. Noch größere Popularität erlaubte sein Urinal. Doch Duchamp revolutionierte nicht nur den Kunstbegriff, sondern das Wesen von Kunst insgesamt, wie jetzt eine Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart zeigt.

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