Über hundert Bücher soll Frances Trollope verfasst haben, obwohl sie erst mit über fünfzig damit angefangen hatte, so berichtet es ihr Sohn Anthony, dem sie dadurch bei seinem bescheidenen Salär im Postdienst zu Beginn unter die Arme greifen konnte, bis er selbst mit Anfang dreißig zu schreiben begann. Er brachte es „nur“ auf knapp fünfzig Romane, was ihm die Kritik als Vielschreiber einbrachte. Das freilich muss kein negatives Qualitätsurteil sein; ihm gelangen brillante Porträts der englischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In einem seiner besten und mit rund tausend Seiten längsten Bücher zeichnete er 1875 das unterhaltsame und präzise Bild seiner Gesellschaft, die er sehr kritisch sah. Deutsche Verlage haben sich mit seinen Büchern schwer getan, jetzt ist sein vielleicht bedeutendstes in einer neuen Übersetzung erschienen: The Way We Live Now – Umwälzungen. Ein Gesellschaftsroman.
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Eine der größten ihres Fachs: George Eliot – ein Porträt. Teil 3
1841, mit 22 Jahren, zog Mary Ann Evans, die unter dem Pseudonym George Eliot Romangeschichte schreiben sollte und deren Hauptwerk Middlemarch noch im 21. Jahrhundert in einer Umfrage bei hundert englischen Kritikern zum besten englischen Roman gekürt wurde, mit ihrem Vater, der sich in den Ruhestand zurückgezogen hatte, nach Foleshill bei Coventry. Da war sie eine aufopfernde Tochter und glühend gläubige Christin. Nur ein Jahr danach hat sie ihren Glauben verloren, verkehrt in freigeistigen Zirkeln, macht erste journalistische Erfahrungen und knüpft zu meist älteren Männern enge Beziehungen, die keine Liebesbeziehungen sind, aber die Umgebung irritieren. Das ändert sich mit dem Tod ihres Vaters. Marian, wie sie sich inzwischen schreibt, ist frei, zieht nach London, um sich weiter als Journalistin zu betätigen, und findet hierzu im Haus des Verlegers John Chapman die idealen Möglichkeiten.
Eine der größten ihres Fachs: George Eliot – ein Porträt. Teil 2
Es dauerte gerade einmal fünf Jahre, und aus der Wissenschaftsjournalistin und Übersetzerin philosophischer Schriften Marian Evans ist eine erfolgreiche Schriftstellerin von Romanen geworden. Zwar hat sie erst zwei Bücher vorgelegt, aber die Verkaufszahlen schnellen in die Höhe, die Einnahmen steigen, und nach weiteren fünf Jahren ist die anfangs wegen ihrer wilden Ehe mit dem Sachbuchautor George Henry Lewes im viktorianischen England gesellschaftlich geächtete Frau eine in den höchsten Kreisen begehrte, ja vergötterte Autorin geworden, die ihre Romane unter dem Pseudonym George Eliot schreibt und in ihrem Haus buchstäblich Hof hält – eine erstaunliche Karriere, vor allem, wenn man ihre Herkunft bedenkt!
Eine der größten ihres Fachs: George Eliot – ein Porträt. Teil 1
Als weiblicher Shakespeare wurde sie verehrt, aber auch als „Stinkbombe der Menschheit“ abgeurteilt: An George Eliot schieden sich die Geister. Aber immer noch zählt sie zu den größten Romanschriftstellerinnen zumindest ihrer Zeit, wenn nicht der Literaturgeschichte überhaupt. Eine Frau, deren Leben sich selbst wie ein Roman liest. Hier das erste Kapitel dazu.
Freud und Leid des Landlebens: Elizabeth Gaskells Frauen und Töchter
In Literaturgeschichten rangiert sie im Schatten eines Charles Dickens: Elizabeth Gaskell, auch Mrs. Gaskell genannt, die mit Romanen über die Welt der Arbeiter vor allem von sozialhistorisch engagierten Literaturkritikern geschätzt wird. Doch die Themen, die sie in Werken wie Mary Barton, einem der ersten englischen Industrieromane über den Chartistenaufstand in Manchester und die katastrophalen Lebensbedingungen des Industrieproletariats aufgriff, sind heute, trotz literarischer Qualitäten, doch eher Stoff für die Wissenschaft. Mit ihrem letzten (bis auf wenige Seiten noch von ihr vollendeten) Roman griff sie scheinbar zurück in die Provinzwelt einer Jane Austen, und doch hielt der große Literaturkritiker Laurence Lerner ihren Roman Frauen und Töchter für den unterschätztesten Roman der englischen Sprache. Vor 150 Jahren ist sie kurz vor Vollendung dieses Romans gestorben.
„Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter.“ Shakespeare und die Musik
Viel hat man Shakespeare angedichtet – kein Wunder, ist er doch die rätselhafteste Figur der Literaturgeschichte, so rätselhaft, dass man heute noch spekuliert, wer eigentlich hinter diesem Namen stecken könnte, denn allzu unglaubwürdig scheint die Tatsache, dass sich ein junger Mann aus der Provinz (aus Stratford) auf den Weg nach London macht, dort innerhalb weniger Jahre zum bedeutenden Theaterdichter avanciert – und möglicherweise zum Liebhaber hochadliger Damen –, dann diesem Theaterleben Adieu sagt und sich wieder nach Stratford zurückzieht. Seine Stücke verraten eine immense klassische Bildung, psychologisches Einfühlungsvermögen, dichterische Ausdruckskraft – und eine große Affinität zur Musik. Ein Kammerkonzert der Oper Stuttgart zeichnet nach, welche Auswirkungen Shakespeare auf die Musikgeschichte hatte.
Titelseite der ersten Shakespeare-Gesamtausgabe von 1623