Archiv des Autors: Dr. Rainer Zerbst

Zwischen Augenblick und Ewigkeit – die Zeit im Kunstmuseum Reutlingen / konkret

Einszweidrei im Sauseschritt läuft die Zeit, wir laufen mit“ befand Wilhelm Busch pessimistisch. Ein ähnliches Gefühl mag man bei Goethes Faust vermuten, wenn er dem Augenblick ein „Verweile doch“ zurufen möchte. Die Zeit, die wir als flüchtige Gegenwart zwischen Vergangenheit und Zukunft erleben, war immer wieder Thema der bildenden Kunst, sei es als Stillleben, das die Franzosen treffend „nature morte – tote Natur“ nennen, sei es als flüchtiger Sinneseindruck, den die Impressionisten festzuhalten versuchten. Das Kunstmuseum Reutlingen / konkret zeigt, was Künstler von heute mit diesem Phänomen anfangen: Vom Verrinnen. Zeitkonzepte der Gegenwartskunst.

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Neue Dimensionen für eine alte Kunst: Der Holzschneider Frans Masereel im Kunstmuseum Reutlingen

Hatten Künstler wie Dürer oder Cranach dem Holzschnitt zu künstlerischer Blüte verholfen, diente er im Bauernkrieg vor allem als politisches Informations- und Agitationsmedium. Danach geriet er eher ins Hintertreffen, bis die Expressionisten seine Schwarz-Weiß-Kontraste und seine formale Konzentration auf das Essenzielle entdeckten. Der Belgier Frans Masereel griff beide Traditionen auf und wurde zum Erneuerer dieser Kunst – ein viel zu geringes Lob, wie jetzt eine große Retrospektive im Kunstmuseum Reutlingen zeigt. Weiterlesen

Auftakt zur Revolution. Mozarts Le Nozze di Figaro an der Staatsoper Hannover

Es war schon kühn von Mozart, den Schriftsteller Lorenzo Da Ponte damit zu beauftragen, ausgerechnet die Komödie Der tolle Tag oder die Hochzeit des Figaro von Beaumarchais zu einem Opernlibretto umzuarbeiten, denn in Frankreich war dieses Stück verboten, prangerte es doch die Selbstherrlichkeit des Adels an, und in Wien verbot der Kaiser die deutschsprachige Version auf der Bühne, wenn auch nicht im Druck. Aber Mozart erhielt die Genehmigung zu dieser Oper, und bei der Uraufführung war der Kaiser höchstselbst anwesend. Ob er das auch getan hätte, wenn er die neue Inszenierung an der Staatsoper Hannover gekannt hätte, ist fraglich.

Sarah Brady © Sandra Then

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West-östliche Synthese. Japonismus heute in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen

1854 erzwangen die Amerikaner die Öffnung Japans, das sich dem Ausland jahrhundertelang verweigert hatte. So gelangten westliche Waren nach Japan, für die europäische Kunst viel wichtiger aber war, dass japanische Holzschnitte in den Westen gelangten und eine Begeisterungswelle auslösten. Manet, van Gogh, Gauguin, um nur einige zu nennen, ließen sich inspirieren. Die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen zeigt jetzt, dass die japanische Welt auch noch heute begeistert: Japonismus 2.0.

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Von der Geometrie der Wirklichkeit: Paul Uwe Dreyer im Kunstmuseum Stuttgart

Linie, Farbe und Fläche, so meinte Theo van Doesburg 1930, sei das Konkreteste, das man sich optisch vorstellen könne, und es reiche auch aus: Die Konkrete Kunst war begründet, eine Kunst, deren Ausdrucksmittel dem Betrachter zwar bekannt sind, aber alles andere als vom Alltag her vertraut, denn diese Kunst verzichtet auf jegliche Abbildung einer gegenständlichen Realität. Auf den ersten Blick ist man geneigt, den langjährigen Stuttgarter Akademiedirektor Paul Uwe Dreyer ganz dieser Kunstrichtung zuzuordnen, doch dieser Eindruck trügt, wie eine Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart zeigt.

Der Gruß an Mr. Chippendale, um 1966. Foto: Martin Frischauf © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

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Tausendsassa der Kunst? „Kein Tag ohne Linie“ im Museum Ritter

Mathematisch gesehen ist sie ein eindimensionales Gebilde ohne Unterbrechung und ohne Querausdehnung – die Linie; ein breiter Streifen wäre also schon keine Linie mehr. Man kann sie auch als kürzeste Verbindung zweier Punkte definieren – aus künstlerischer Sicht also ein höchst unergiebiges Zeichenelement, und doch setzte kein Geringerer als Paul Klee einen Satz von Plinius dem Älteren aus dem antiken Rom über sein Schaffen: Kein Tag ohne Linie, wobei er die Linie sehr viel spielerischer verstand als die Mathematiker, nämlich als Spur eines in Bewegung geratenen Punktes. Dass die Linie noch sehr viel mehr sein kann, zeigt eine Ausstellung im Museum Ritter: „Kein Tag ohne Linie“.

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Realistisch in unwirkliche Welten: Die Malerei des Eckart Hahn

Trompe-l’oeil heißt auf deutsch Augentäuschung. In der Malerei dient sie dazu, durch eine extrem realistische Darstellung dem Auge die wahre Realität vorzugaukeln. In der Antike soll der Maler Zeuxis dadurch Vögel dazu verführt haben, an den von ihm gemalten Trauben zu picken, als seien es echte Früchte. Ein Meister dieser Malerei ist der Reutlinger Eckart Hahn, der allerdings damit nicht Realität vortäuschen, sondern ganz neue Realitäten schaffen will, wie eine Ausstellung mit neuen Werken in der Stuttgarter Galerie Schlichtenmaier zeigt.

  Red Rope, 2021 © Eckart Hahn

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Vielschichtige Natursemantik. Der Bildhauer Gianni Caravaggio im Kunstmuseum Reutlingen/konkret

Für Natur und Landschaft waren das 17. und 18. Jahrhundert eine Blütezeit, im 19. löste sich die Landschaftsdarstellung bereits in Sinneseindrücke auf, und im 20. ließen Abstraktion und Verfremdung wenig Raum für diese Motivik. Natur tauchte da eher materiell auf wie bei den Pollenarbeiten von Wolfgang Laib oder symbolisch wie das Thema Energie bei Joseph Beuys. Für den Bildhauer Gianni Caravaggio ist das Naturerleben zwar ein zentraler Teil seines Lebens, doch versucht er gar nicht erst, Landschaft und Natur abbildend darzustellen, vielmehr will er im Betrachter Assoziationen an eigene Naturerlebnisse wachrufen.o

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Künstlerische Metamorphosen quer durch alle Genres. Die Kunst des Jordan Madlon

Der Titel einer Kunstausstellung sollte im idealen Fall das Wesen der ausgestellten Kunst erfassen und zugleich dem erwünschten Publikum einen Anreiz zum Besuch der Ausstellung liefern. Wenn das Kunstmuseum Reutlingen nun die Ausstellung von Jordan Madlon, dem diesjährigen Gewinner des Holzschnitt-Förderpreises, mit dem Wort Diagrammatisch überschreibt, dann wäre das für den künftigen Besucher von Nutzen, wenn damit das deutsche Diagramm gemeint wäre. Doch bezieht sich der Titel auf die diagrammatische Philosophie eines Gilles Deleuze, und die dürfte kaum ein Besucher kennen, insofern dürfte es für ihn auch wenig hilfreich sein, wenn er in den „erläuternden“ Wandtexten wieder damit konfrontiert wird.

Jordan Madlon, Shhhtturz – Konstellation, 2021

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Mit Bäumen und ohne – Landschaftsbilder der Schwäbischen Alb gestern und heute

Seit 1980 war die Dauerausstellung über das Landschaftsbild der Schwäbischen Alb ein Markenzeichen des Kunstmuseums Albstadt, damals noch „Galerie Albstadt“. Allerdings war sie auch in der Präsentation allmählich in die Jahre gekommen und unter der Leiterin Veronika Mertens durch einzelne Schwerpunktausstellungen zum Thema abgelöst worden. Jetzt, zu ihrem Abschied vom Museum, hat sie eine ganz besondere Auswahl von Arbeiten seit 1893 zusammengestellt, bei denen natürlich auch die alten Klassiker nicht fehlen: Albspaziergang.

Christian Landenberger, Donautal bei Gutenstein, 1893

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