Archiv des Autors: Dr. Rainer Zerbst

Vom Augenblick des Sehens zur reinen Farbe: Impressionisten in der Staatsgalerie Stuttgart

Letztlich malten sie nicht viel anderes als ihre akademischen Vorläufer des 18. Jahrhunderts. Auch die Impressionisten widmeten sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich der Landschaft, dem Porträt, ja sogar Menschen bei der Arbeit, also dem so genannten Genrebild. So ist es durchaus konsequent, wenn die Staatsgalerie Stuttgart nun eine Ausstellung zu dieser Malepoche in solche klassischen Kapitel unterteilt. Doch was den Impressionisten zu diesen Motiven auf der Leinwand gelang, hat nichts mehr mit der realistisch geprägten akademischen Malerei des 18. Jahrhunderts zu tun. Wurden da stämmige Bäume, markante Gesichter und Bauern bei der Arbeit porträtiert, mit kräftigem Strich und starken Farben, löste sich bei den Impressionisten alles Feste, Gegenständliche auf in Farbtupfer.

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Pissarro, Der Gärtner, 1899 © Staatsgalerie Stuttgart

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Zum Greifen nah. Das Württembergische Landesmuseum präsentiert seine „Wahren Schätze“

Ginge es nach dem Kulturverständnis früherer Jahrhunderte, dann wäre Cornelia Ewigleben, die Direktorin des Landesmuseums Württemberg in Stuttgart, auch Herrscherin über die Staatsgalerie, das Völkerkundemuseum und das Lindenmuseum, denn letztlich, so macht ein Ausstellungsraum in der neuen Präsentation deutlich, gingen all diese Kulturinstitutionen aus der Kunstkammer der württembergischen Herzöge hervor, die eben nicht nur Kunstobjekte vom Kunsthandwerk bis zur Malerei, sondern auch Exotika aus fernen Ländern und Naturkundliches aus Ausgrabungen beheimatet.

Schausammlung "Wahre Schätze. Antike • Kelten • Kunstkammer", Raumansicht "Kunstkammer", Landesmuseum Württemberg, Stuttgart

© H.Zwietasch, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, szenographie valentine koppenhöfer

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Freud und Leid des Landlebens: Elizabeth Gaskells Frauen und Töchter

In Literaturgeschichten rangiert sie im Schatten eines Charles Dickens: Elizabeth Gaskell, auch Mrs. Gaskell genannt, die mit Romanen über die Welt der Arbeiter vor allem von sozialhistorisch engagierten Literaturkritikern geschätzt wird. Doch die Themen, die sie in Werken wie Mary Barton, einem der ersten englischen Industrieromane über den Chartistenaufstand in Manchester und die katastrophalen Lebensbedingungen des Industrieproletariats aufgriff, sind heute, trotz literarischer Qualitäten, doch eher Stoff für die Wissenschaft. Mit ihrem letzten (bis auf wenige Seiten noch von ihr vollendeten) Roman griff sie scheinbar zurück in die Provinzwelt einer Jane Austen, und doch hielt der große Literaturkritiker Laurence Lerner ihren Roman Frauen und Töchter für den unterschätztesten Roman der englischen Sprache. Vor 150 Jahren ist sie kurz vor Vollendung dieses Romans gestorben.

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Zwischen Alter und Neuer Welt: Jürgen Glockers Roman über einen Amerikaner im Schwarzwald

Als der Baron de Montesquieu zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine kritische Bestandsaufnahme seines Heimatlandes veröffentlichen wollte, die alles andere als positiv ausfallen sollte, erfand er zwei Perser, die in ihren Briefen in die Heimat von ihren Erfahrungen in diesem für sie doch recht sonderbaren Land Frankreich berichteten (im 20. Jahrhundert wählte Herbert Rosendorfer für seine bayrische Heimat einen chinesischen Mandarin). Jürgen Glocker, Kulturreferent des Landkreises Waldshut-Tiengen, der schon mit einem amüsanten und zugleich gesellschaftskritischen Roman über einen Kater hervorgetreten ist, der das Leben eines kinderlosen Ehepaars durcheinander wirbelt, wählte einen weniger exotischen Reisenden: Er schickt einen amerikanischen Linguistikprofessor in seine Heimat, den Südschwarzwald.

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Kreis und Quadrat – eine unendliche Geschichte

Dem schon legendären Satz von Sepp Herberger ist anzumerken, wie schwer das alles sein muss: Das Runde müsse ins Eckige, so definierte der ehemalige Bundesfußballtrainer das Ziel seines Sports – und der Satz klingt wie ein Stoßseufzer angesichts der Tatsache, wie schwer dieses Ziel zu erreichen ist. Dabei ist das Eckige im Fußballsport noch relativ leicht zu treffen, denn es ist rechteckig, der Ball hat also durchaus Platz darin. Ganz anders sieht es beim Quadrat aus, denn will man eine entsprechend große Kugel in ein solches Viereck platzieren, muss man schon sehr genau treffen. Die „Quadratur des Kreises“ gilt denn ja auch als Inbegriff des Unmöglichen. Diesem Spannungsverhältnis widmet sich die neue Ausstellung in dem auf das Quadrat spezialisierten Museum Ritter in Waldenbuch.

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Laster mit Todesfolge für alles Menschliche: Michael Kviums Zyklus zu den sieben Todsünden

Seit eineinhalb Jahrtausenden bewegen sie die Gemüter, reizen sie die Fantasie: die sieben Hauptsünden, wie sie gerne krass bezeichnet werden, der Begriff Hauptlaster wäre sinnvoller. Kein Geringerer als Papst Gregor I. hat sie zu einem Kanon zusammengefasst. Und als hätte das Mittelalter bereits die moderne Sucht nach Abkürzungen und einprägsamen Begriffen gekannt, fand sich für sie auch bald ein Name: SALIGIA, ein Akronym, gebildet aus den lateinischen Begriffen Superbia (Stolz), Avaritia (Geiz), Luxuria (Wollust), Ira (Zorn), Gula (Völlerei), Invidia (Neid), Acedia (Faulheit). Die größten Künstler haben sich ihnen gewidmet, von Hieronymus Bosch über Albrecht Dürer bis hin zu Otto Dix und Bruce Nauman. Die Kunsthalle Göppingen zeigt den Zyklus von Michael Kvium – der in Dänemark Hunderttausende in seine Ausstellungen lockt, hierzulande aber immer noch ein Unbekannter ist.

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Michael Kvium: Avaritia. Foto: Frank Kleinbach

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Eine einzige Lebenslüge: Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ am Schauspiel Stuttgart

Hat er überhaupt jemals richtig gelebt, dieser Willy Loman? 36 Jahre hat er sein Land als Vertreter bereist, bis er feststellen muss, dass er in seinem Beruf ein Versager war und nicht mehr die Kraft hat weiterzumachen. Von seinem Chef wird er in die Arbeitslosigkeit gestoßen, und das heißt in der amerikanischen Gesellschaft, in der nur der gesellschaftliche Aufstieg zählt, ins Nichts. Es bleiben ihm zwei Möglichkeiten: die Flucht ins endgültige Nichts, den Tod, oder die Flucht in die Selbstlüge. Beides exerziert Arthur Miller in seinem Klassiker über den „Tod eines Handlungsreisenden“ vor. Robert Borgmann hat am Schauspiel Stuttgart für beides erregende Bilder gefunden.

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Auf dem Bild: Susanne Böwe, Peter Kurth, Mabolo Bertling, Manuel Harder. Foto: Julian Röder

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Geometrisch oder organisch – Hauptsache abstrakt: Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp

Längliche farbige Rechtecke neben- oder übereinander gelagert – über solche Arbeiten lernte Hans Arp seine spätere Frau Sophie Taeuber kennen: in einer Ausstellung mit „modernen Wandteppichen“, das war 1916, und Arp war von Anfang an begeistert. Er selbst hatte sich da künstlerisch noch nicht festgelegt, doch als er wenige Jahre danach dann seinen Stil entwickelte, wirkte der wie ein Kontrastprogramm zu dem seiner Freundin – und ab 1922 Frau. Die Städtische Galerie in Bietigheim zeigt zwei Künstlermentalitäten, wie sie konträrer kaum sein könnten und die sich doch zu einem Traumpaar der Kunst entwickelten.

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Ein Raum wird zum Kunstwerk: Heiko Wommelsdorf in der Städtischen Galerie Reutlingen

Man findet sie in Ausstellungsräumen meist versteckt in einer Ecke des Raums: kleine zylinderartige Geräte, die mit einem dünnen Stift auf vorgedrucktes Papier Linien schreiben und damit Luftfeuchtigkeit und Temperatur des Raumes festhalten als Kontrolle für die Verantwortlichen, die für eine gleichbleibende Raumatmosphäre für die empfindlichen Kunstwerke zu sorgen haben. Und wenn das Museum nicht über eine gute Klimaanlage verfügt, wie die in einem ehemaligen Fabrikgebäude untergebrachte Städtische Galerie Reutlingen, dann befinden sich auch noch vitrinengroße weitere Geräte im Raum, Luftbefeuchter, die dafür sorgen, dass die Hygrothermographen konstante Linien zeigen. Solche Geräte finden sich auch jetzt in diesem großen Saal, allerdings nicht verschämt in die Ecke gerückt, sondern mitten im Raum platziert, und auch gleich in Serie: Heiko Wommelsdorf hat jeweils sechs von ihnen in Reih und Glied aufgestellt, unübersehbar – und das sollen sie auch sein, denn sie sind Teil seiner großen Reutlinger Rauminstallation.

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Trau schau wem! Ein Krimi mit philosophischem Hintergrund von Paula Hawkins

Ein Tag wie jeder andere: Rachel fährt mit dem Zug zur Arbeit, vorbei an den Wohnsiedlungen entlang den Bahngleisen, und beobachtet dabei tagaus, tagein ein Ehepaar. Die beiden machen auf sie einen sympathischen Eindruck, und in ihrer alltäglichen Langeweile auf dem Weg zur und von der Arbeit denkt sie sich für die beiden Gestalten, die sie sieht, aber nicht hört, Biographien aus: Geschichten eines Ehepaares, sie nennt die beiden Jess und Jason. Das könnte der Anfang eines Romans über eine werdende Schriftstellerin sein, die am Ende aus dem Alltag erfolgreiche Literatur bastelt. Und genau dieser Wechsel von „könnte sein“ und „ist es nicht“ bestimmt den Fortgang dieses Buches, der beginnt wie das Psychogramm einer gescheiterten jungen Frau im Großstadtdschungel von London.

Girl on the TrainDu kennst sie nicht aber sie kennt dich von Paula Hawkins

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