Archiv des Autors: Dr. Rainer Zerbst

Faszinierend vieldeutig: Die Sammlung Klein

Es gibt verschiedene Arten, Kunst zu sammeln. Da sind auf der einen Seite die Spezialisten, sie widmen sich ganz einer Epoche, einer Kunstgattung oder -strömung wie etwa die Sammlung Kraft, die sich ganz auf die deutsche Pop Art konzentriert und derzeit in der Städtischen Galerie in Villingen-Schwenningen zu sehen ist. Und es gibt jene Sammler, die aus innerer Neigung Einzelwerke sammeln. So das Ehepaar Klein, dessen Sammlung derzeit in einer Auswahl im Kunstmuseum Stuttgart präsentiert wird. Die Gefahr einer solchen Ausstellung besteht darin, dass der Besucher mit einer divergenten Vielzahl von Werken konfrontiert ist, die ausschließlich die Vorlieben der Sammler verraten. Das trifft in diesem Fall durchaus zu, und doch hat das Kunstmuseum diese Gefahr souverän vermieden durch eine raffinierte Hängung und die Tatsache, dass von den Künstlern jeweils mehrere Werke ausgestellt werden.

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Falsch und doch echt. Jim Avignons „Covermalerei“

Es gibt viele Formen der Nachahmung. Die perfideste ist die Fälschung, die perfekte Imitation eines Originals, die als Original ausgegeben wird. Ein Plagiat ahmt das Original nur nach, gibt aber nicht die Quelle an, ein Zitat greift nur Elemente eines Originals auf und spielt oder argumentiert damit, ein Remake ist eine Neuversion eines Originals durch den ursprünglichen Künstler, ein Cover die Neuversion eines Musikoriginals durch einen anderen Künstler. Für die Städtische Galerie in Böblingen hat der Berliner Künstler Jim Avignon Letzteres angefertigt: Coverversionen nicht älterer Musikstücke, sondern älterer Gemälde: Neo – interpretiert.

 

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Surrealer Liebeswahn. Edison Denisovs Der Schaum der Tage an der Oper Stuttgart

Boris Vian war ein Tausendsassa: Französischer Chansonnier, Jazztrompeter, Romancier, Dramatiker – und stets sorgte er für Aufsehen, weil er gegen alle Konventionen verstieß. 1947 erschien sein Roman „Der Schaum der Tage“ – damals kaum beachtet, zählt er heute zu den Kultromanen der französischen Literatur des 20. Jahrhunderts – ein Roman, in dem sich Fantasy, Comic und Satire auf den Existentialismus mischen. 1981 verarbeitete der russsische Komponist Edison Denisov den Roman zu einer Oper, die allerdings nur selten aufgeführt wurde. Denisov zählte zu den Avantgardisten unter den russischen Komponisten, daher blieb ihm die Anerkennung des sozialistischen Regimes versagt. Vor fünf Jahren hat sich der Intendant der Stuttgarter Staatsoper, der Regisseur Jossi Wieler, zusammen mit seinem ständigen Co-Regisseur Sergio Morabito des Stoffs angenommen. Jetzt ist die Oper wieder im Repertoire.

Mitglieder des Kinderchores der Oper Stuttgart. Foto: A.T.Schaefer

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Grenzüberschreitungen – Wolfgang Flad und Jürgen Elsner in Bad Waldsee

Künstler arbeiten mit Materialien, und ihre Arbeit folgt Gesetzen, die die Materialien auferlegen. So entstehen Tafelbilder in der Regel durch Malerei mit Ölfarbe auf Holz oder Leinwand, und schon diese Malgründe erfordern einen unterschiedlichen Farbauftrag, hinzu kommt, dass die zähflüssige Ölfarbe der malenden Hand andere Widerstände entgegenbringt als etwa die moderne Acrylfarbe oder gar die transparente Aquarellfarbe. Der Bildhauer arbeitet mit Stein, Holz oder Stahl – schweren Materialien, statisch, in sich ruhend. Künstler können mit diesen Gesetzlichkeiten arbeiten. Zwei Ausstellungen in Bad Waldsee zeigen, dass man auch gegen sie arbeiten kann.

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Molières Menschenfeind als Revue am Schauspiel Stuttgart

Die falsche Haltung ist bei Molière in der Regel schnell zu erkennen: Geiz, Hypochondrie oder der Wunsch, vornehmer zu wirken, als man ist – Molière ist ein Meister in der Bloßlegung grundlegender menschlicher Schwächen. Nicht so bei seinem 1666 entstandenen Menschenfeind. Hier ist die von höflicher Schmeichelei und Speichelleckerei geprägte vornehme Gesellschaft ebenso Gegenstand der Kritik wie der Menschenfeind Alceste, der stur absolute Wahrhaftigkeit über zwischenmenschliche Beziehungen setzt, wobei Alceste für seine Zeitgenossen wohl sehr viel lächerlicher wirkte als auf die späteren Generationen, schließlich attestierte ihm bereits Goethe eine gewisse Tragik. Für das Schauspiel Stuttgart entdeckte Wolfgang Michalek eine ganz neue Dimension.

Birgit Unterweger (Célimène), Christian Czeremnych (Alceste). Foto: Björn Klein

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Tierisch menschlich: 400 Jahre Tier und Mensch in der Kunst

Sie werden ausgebeutet als Arbeitstiere, hingemetzelt als Schlachtvieh und gehätschelt als Schoßhündchen – das Verhältnis des Menschen zum Tier ist zwiespältig: Mal wird es in Massen gehalten, mal zärtlich verwöhnt als Kindersatz. Es hat sich viel geändert im Lauf der Geschichte, in diesem Verhältnis aber offenbar wenig; es hätte mehr sein können, wenn es nach den Künstlern gegangen wäre, wie nun eine Ausstellung im Kunstmuseum Ravensburg zeigt.

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Synthesen von Gegensätzlichkeiten: Sean Scully und Liliane Tomasko

Zwei grundlegend unterschiedliche Ausdrucksformen bestimmen die Kunst der Moderne. Auf der einen Seite ist es der individuelle Pinselstrich, Ausfluss der Gestimmtheit des Künstlers, ob er nun den abstrakten Expressionisten wie de Kooning zuzurechnen ist oder den Actionpaintern wie Jackson Pollock – das Bild letztlich als Ausdruck der Künstlerpsyche. Auf der anderen Seite die Abwesenheit jeglicher Subjektivität, Dominanz der Geometrie, Reduktion auf wenige Linien und Farben. Eine Ausstellung mit Werken des Künstlerpaars Liliane Tomasko und Sean Scully im KUNSTWERK, dem Museum der Privatsammlung Klein in Eberdingen, zeigt beide Positionen und demonstriert, dass sie einander nicht ausschließen.

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Benjamin – Gion Antoni Derungs‘ Josephslegende bei der Jungen Oper Stuttgart

Sie zählt nicht zu den kürzesten Erzählungen in der Bibel, die Geschichte um den jungen Joseph, dessen Brüder auf ihn neidisch sind, weil der Vater ihn zum Liebling erkoren hat, und den sie nach Ägypten in die Sklaverei verkaufen und dem Vater als tot melden, aber auch sie nimmt nur rund ein Dutzend Seiten ein – im Unterschied zu Thomas Mann, der daraus ein Epos von weit über tausend Seiten machte. Als Oper in der Vertonung des Schweizers Gion Antoni Derungs dauert sie achtzig Minuten, anrührende Minuten, aber auch verstörende. Die Junge Oper, vor zwanzig Jahren an der Oper Stuttgart eingerichtet, um jungen Musikern erste professionelle Bühnenerfahrung zu ermöglichen, vor allem aber, um das Phänomen Oper einem jungen Publikum (dem Publikum der Zukunft) nahezubringen, hat die 2006 entstandene Oper nun in deutscher Erstaufführung auf die Bühne gebracht.

Ibrahima Biaye (Benjamin). Foto: Christoph Kalscheuer

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Psychologie des Spiels – Tschaikowskis Pique Dame an der Oper Stuttgart

Es ist eine Oper der Widersprüche. Auf der einen Seite die leidenschaftliche Liebe zwischen Lisa und German, auf der anderen kühle Berechnung, wenn Lisa sich mit dem reichen Jeletzki verlobt. Hier die große Emotion, da das gierige Verlangen nach dem Spielgewinn am Kartentisch. Und auch musikalisch gibt die Oper Rätsel auf. Einerseits gibt die Musik die großen Gefühle romantisch wieder, auf der anderen zitiert sie die Rokokozeit eines Mozart. Diese Widersprüchlichkeiten sin die Basis für eine neue Inszenierung von Tschaikowskis Werk an der Oper Stuttgart.

Helene Schneiderman (Gräfin), Erin Caves (German

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Zwei alte Tanten … Arsen und Spitzenhäubchen am Schauspiel Stuttgart

Es ist einer der großen Filmklassiker, der Inbegriff schwarzen Humors: Brave Bürgerlichkeit trifft auf unverhohlenen Wahnsinn, und dieser Wahnsinn hat auch noch Methode. Arsen und Spitzenhäubchen war ein Erfolgshit am Broadway und mit Cary Grant auch auf der Filmleinwand. Das war vor über siebzig Jahren, und immer noch bringen Theater den Dauerbrenner auf die Bühne – jetzt das Schauspiel Stuttgart, und es holte sich dazu den Spezialisten für psychologisch tiefschürfende Dramen, Jan Bosse, als Regisseur.

Sebastian Röhrle (Teddy Brewster), Ferdinand Lehmann (O’Hara), Christian Schneeweiß (Jonathan Brewster), Manolo Bertling (Mortimer Brewster), Astrid Meyerfeldt (Dr. Einstein). Foto: Bettina Stöß

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