Sie wollten das Leben und die Schönheit des Alltags in Bilder fassen, die Stilllebenmaler des 17. Jahrhunderts: Blumensträuße in Vasen, Früchte auf reich gedeckten Tischen. Zugleich verbanden sie mit diesen Naturphänomenen Botschaften – das Welken verwies auf das Vergehen jeden Lebens, die weiße Lilie stand für die Unschuld. Nature morte nannten die Franzosen diese Malerei – tote Natur, was nur bedingt zutrifft, enthalten derlei Gemälde doch in den meisten Fällen Blüten in ihrer vollsten Pracht, also einen Inbegriff des Lebens. Die Skulpturen des Freiburgers Bruno Feger zeigen eben diese Doppelsinnigkeit: florale Stillleben aus Stahl.
Archiv des Autors: Dr. Rainer Zerbst
Aus Alt mach Neu – das Weiterleben von Kunst in der Kunst
In der Popszene geht gelegentlich die Angst um, Angst vor Gerichten. So wurden vor zwei Jahren Robin Thicke und Pharrell Williams verurteilt, sieben Millionen Dollar an die Erben von Marvin Gaye zu zahlen, weil ihr Song Blurred Lines allzu sehr einem Song des inzwischen verstorbenen Kollegen ähnele. Vor zwanzig Jahren verlor Madonna vor Gericht, weil sie für ihren Song Frozen vier Takte bei einem Kollegen abgekupfert habe. Doch Zitate galten nicht immer als anrüchig. Johann Sebastian Bach hat gleich ganze Konzerte von Vivaldi bearbeitet – und man sah darin damals kein Sakrileg, sondern eine ehrfürchtige Verneigung vor der Leistung anderer. Dass dem auch heute noch so sein kann, zumindest in der bildenden Kunst, zeigt eine Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier.
Joachim Kupke, After Ian H. Finlay (Dutch Interior), 2015 © Joachim Kupke/VG Bild-Kunst, Bonn
Geheimnisvoll zur Vollendung: 300 Jahre Freimaurer
Das Misstrauen ist groß: Sie sollen an einer Weltverschwörung arbeiten, sie schotten sich rigoros gegen jegliche Öffentlichkeit ab, ihre Rituale sind geheimnisumwittert – die Freimaurer sind der wohl größte Geheimbund der Welt. Dabei sind ihre Ziele ehrenwert, geradezu hehr: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, wie sie die Französische Revolution propagiert hatte, werden noch ergänzt durch Toleranz und Humanität, Ziel der Vereinigungen ist die ethische Verbesserung des Einzelnen. Vor 300 Jahren wurde die erste Freimaurerloge gegründet, in England, die Geschichte der Freimaurer in Württemberg ist rund 250 Jahre alt. Eine Ausstellung im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart versucht, Legende und Realität voneinander zu trennen, und betont im Titel die ideelle Seite der Freimaurer: Gelebte Utopie.
Arbeitsteppich für Lehrlinge und Gesellen, um 1775
Raum wird zur Fläche. Bildhauergraphik in der Kunsthalle Vogelmann
Streng genommen gibt es keine unterschiedlicheren Kunstgattungen als die Graphik und die Bildhauerei. Der Graphiker arbeitet streng zweidimensional, flächig oder, noch reduzierter, einzig mit der Linie; Räume kann er nur andeuten. Der Bildhauer arbeitet raumgreifend, schafft Volumina, selbst wenn sein Ausgangsmaterial dünne Eisenstäbe sind. Und doch greifen viele Bildhauer immer wieder zum Stift oder zur Radierplatte, nicht, um Vorskizzen zu ihren späteren Skulpturen anzufertigen, sondern um eigenständige Kunstwerke zu schaffen, die gleichwohl natürlich zumindest im Geist verwandt sind mit ihren dreidimensionalen Kreationen. Eine Ausstellung in der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn zeigt an drei Beispielen auf, wie eigenständig solche Arbeiten sein können und wie nahe sie zugleich doch dem eigentlichen Oeuvre dieser Künstler stehen.
Eine Art Verwandlung: Stefan Rohrers Umgang mit des deutschen liebstem Kind
Vielen Künstlern galt es als Sinnbild des Fortschritts, der Moderne: das Auto. Die Futuristen sahen in einem aufheulenden Automotor mehr Schönheit als in der Nike von Samothrake, die Popkünstler verherrlichten die Karosserien der Straßenkreuzer in leuchtenden Farben, Andy Warhol feierte 1986 das hundertjährige Bestehen des Automobils mit einer Serie zu den Luxusmodellen der Firma Mercedes, aber er zeigte auch die Kehrseite der Medaille, einen Verkehrsunfall. Wolf Vostell formulierte drastisch, mit einem Auto kaufe man den Unfall gleich mit, und schuf für den Mittelstreifen des Hohenzollernrings in Köln eine Plastik, für die er ein Auto in Beton gegossen hatte: Ruhender Verkehr. Stefan Rohrer vereint in seinen Arbeiten zum Automobil beide Aspekte – den Glanz und die Katastrophe.
Fast and Furious
Von der Fläche in den Raum: Lothar Quinte und Sibylle Wagner
Künstlerehen sind ein besonderes Phänomen, denn hier kommen neben persönlicher Beziehung künstlerische Mentalitäten in enger Nähe zueinander, was nicht unbedingt gedeihlich sein muss. Paula Becker fühlte sich neben Otto Modersohn alles andere als frei und glücklich, Gabriele Münter stand im Schatten von Wassili Kandinsky, und Lee Krasner spielte in ihrer Ehe mit Jackson Pollock eher die Muse und entfaltete sich erst nach seinem Tod wieder freier in ihrer Kunst. Das Museum Art.Plus in Donaueschingen präsentiert eine Paarung, die trotz eines sehr großen Altersunterschieds offenbar sehr viel harmonischer verlief. Sibylle Wagner, Jahrgang 1952, trat neben ihrer Malerei vor allem mit Installationen und Plastiken hervor, ihr Mann Lothar Quinte, Jahrgang 1923, ging ganz in der Malerei auf.
Zwischen Kirche und Individuum – die Malerin Käte Schaller-Härlin in der Kunststiftung Hohenkarpfen
Wer sich heute die Studentenlisten der Kunstakademien ansieht, wird auf mindestens ebenso viele Frauen wie Männer treffen, das war keineswegs immer so im Gegenteil: Die Emanzipation der Frau war ein langer und steiniger Weg, und das gilt erst recht für die Kunstwelt. Die Frau hatte ihren Platz am Herd und nicht an der Staffelei. Wollte sie studieren, musste sie sich mit einem Platz an einer Damenakademie begnügen, der Zutritt zu den Kunstakademien war Frauen bis ins 20. Jahrhundert hinein verwehrt, und an diesen speziellen Akademien, von denen es im 19. Jahrhundert in Deutschland gerade einmal drei gab, mussten sie im Vergleich zu den männlichen Studierenden an einer offiziellen Kunstakademie das Zehnfache bezahlen. Das alles ist nachzulesen in einer Monographie über die Stuttgarter Malerin Käte Schaller-Härlin, die erste über eine Frau, die trotz solcher Widrigkeiten ihren Platz in der Kunstgeschichte fand und dennoch heute allenfalls ein Geheimtipp ist. Eine Ausstellung in der Kunststiftung Hohenkarpfen bietet einen Überblick über ihr umfangreiches Schaffen.
Selbstbildnis in Mädrigen, 1937. Privatbesitz
Die Königin an der Lagune – Künstler von heute und Venedig
Die Zahlen sprechen für sich: 30 Millionen Touristen besuchen Venedig pro Jahr, man könnte auch sagen sie überfallen die Stadt an der Lagune, und trotzdem hat sie nichts von ihrer Faszination verloren. Noch immer ist sie die Serenissima, ein Traum aus Licht und Wasser und natürlich märchenhafter Architektur, ob beim Dogenpalast, einem der bedeutendsten Profanbauten der Gotik, oder bei der barocken Kirche Santa Maria delle Salute, die aus Anlass der Pest errichtet wurde, denn auch das gehört zu Venedig: die Schattenseite, der drohende Verfall – kein Wunder, dass sich Künstler seit Jahrhunderten von dieser Stadt angezogen fühlten, bis heute, wie eine Ausstellung in Ochsenhausen zeigt.
Joachim Elzmann, Venedig, 2014
Wie viele Ichs hat der Mensch? Paul Austers Meisterwerk 4321
Er ist ein Meister der fiktiven Biographie. Wer einen Roman von Paul Auster aufschlägt, darf in der Regel erwarten, nicht einfach nur einen Helden samt seiner Lebensgeschichte vorgeführt zu bekommen; meist suchen seine Figuren Alternativbiographien, reisen quer durch den nordamerikanischen Kontinent, verfolgen die Lebensspuren anderer Figuren. Paul Auster hat in seinen Romanen das Phänomen „Leben“ in allen Facetten studiert, manchmal in der Tradition des realistischen Erziehungsromans, manchmal mit geradezu surrealer Künstlichkeit. So trug ein Roman den Titel Das Buch der Illusionen. Jetzt hat er einen Roman geschrieben, der alle seine bisherigen Werke übertrifft, und zwar mit über 1200 Seiten nicht nur vom Umfang her.
Neue Kunst für neue Kunden – amerikanische Druckgraphik vor 50 Jahren
Auf den ersten Blick erkennbar sollte sie sein, leicht verständlich, der Alltagswelt verhaftet – die Pop Art revolutionierte den Kunstbegriff: Abkehr von allem Elitären, Verherrlichung des Alltags, vor allem aber eine Kunst für alle. Kein Wunder, dass die Pop-Künstler vor allem die Druckgraphik schätzten, die davor in den USA kaum eine Rolle gespielt hatte. Mit ihr ließ sich Kunst vervielfältigen, einem großen Publikum zugänglich und vor allem erschwinglich machen. Eine Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart zeigt, dass sich dieser „Great Graphic Boom“ beileibe nicht auf diese Kunstströmung beschränkte.