Archiv des Autors: Dr. Rainer Zerbst

Viel Konversation, wenig Erotik: Richard Strauss‘ Capriccio an der Semperoper in Dresden

Fast schien es, als habe Richard Strauss in die absolute Moderne vorstoßen wollen. Mit seiner Oper Elektra ging er bis an die Grenze zur Atonalität, doch danach bewegte er sich gewissermaßen musikhistorisch rückwärts, schrieb mit dem Rosenkavalier gar eine Oper, der man gelegentlich allzu viel Zuckerguss vorwarf, und 1942, mitten im 2. Weltkrieg, tauchte er mit seiner letzten Oper Capriccio in die Welt des Rokoko ein – Weltflucht oder innere Emigration, zumal die Handlung absolut unpolitisch ist. Regisseur Jens-Daniel Herzog hat nun an der Semperoper in Dresden die politische Welt der Entstehungszeit der Oper zurückgeholt.

Daniel Behle (Flamand), Georg Zeppenfeld (La Roche), Nikolay Borchev (Olivier), Jana Mesgarha (Cover-Gräfin) © Semperoper Dresden/Ludwig Olah

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Liebe zu allen Zeiten. Jean-Philippe Rameaus Oper Hippolyte et Aricie am Nationaltheater Mannheim

Man kann diese Oper in antikem Gewand inszenieren, schließlich spielt sie am Hof des Königs Theseus aus der griechischen Mythologie. Man kann sie auch in barockem Gewand spielen, sie wurde 1733 uraufgeführt, König Ludwig XIV. war da noch nicht einmal zwanzig Jahre tot. Und man kann sie natürlich auch in unsere Zeit verlegen. Mit Ausnahme der Antike hat sich Regisseur Lorenzo Fioroni am Nationaltheater Mannheim jetzt für einen Epochenmix entschieden, und das mit gutem Grund.

Sophie Rennert (Phèdre), Chor, Bewegungsstatisterie © Christian Kleiner

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Allein in der Musik: Johanna Doderers Oper Schuberts Reise nach Atzenbrugg am Gärtnerplatztheater in München

Bedient sich heute ein Komponist bei Werken eines anderen, muss er mit einem Plagiatsprozess rechnen. In früheren Epochen galt derlei Treiben als legitim, ja als Ausdruck hoher Wertschätzung für den Kollegen. So verarbeitete Johann Sebastian Bach ganze Konzerte seines Kollegen Vivaldi. In dieser Hinsicht dürfte sich Franz Schubert nicht beklagen. 1916 nahm sich Heinrich Berté ein Dutzend von Schuberts beliebtesten Melodien, unterlegte sie teils mit neuem Text und machte eine Operette daraus. Siebzig Jahre nach ihm verband Luciano Berio drei sinfonische Sätze von Schubert mit eigenen Zwischenteilen. Dass Johanna Doderer jetzt in einer Oper über Schubert auch dessen Musik erklingen lässt, ist da nur konsequent, sie freilich wählte einen noch raffinierteren Weg als Berio.

Daniel Prohaska © Christian POGO Zach

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Oper online – Axel Ranischs Inszenierung von Susannens Geheimnis von Ermanno Wolf-Ferrari an der Bayerischen Staatsoper

Viel an Handlung gibt Il Segreto di Susanna von Ermanno Wolf-Ferrari einem Regisseur nicht an die Hand: Graf Gil, seit kurzem mit der zehn Jahre jüngeren Susanna verheiratet, argwöhnt, sie habe einen Liebhaber. Grund für den Verdacht: Kommt er abends von der Arbeit nach Hause, riecht es nach Zigaretten, die weder er, noch, so vermutet er, Susanna raucht. Schließlich gesteht sie ihm, dass sie sich aus Langeweile dem Laster hingegeben habe. Er bereut den Verdacht und wird aus Sympathie auch zum Raucher. Mit dieser Minimalhandlung ist das eine Herausforderung für die Regie und nicht die einzige. Sie alle umschifft Axel Ranisch an der Bayerischen Staatsoper raffiniert.

Michael Nagy © Wilfried Hösl

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Glücklose Paare: Junge Choreographen am Stuttgarter Ballett

Dass viele Choreographen als Tänzer angefangen haben, ist verständlich, schließlich haben sie durch ihre tägliche Arbeit intensiven Zugang zu den Ausdrucksmöglichkeiten des Tanzes. Dass bei vielen Großen des modernen Balletts die Anfänge in Stuttgart liegen – ob es nun Jiří Kylián, John Neumeier, William Forsythe, Uwe Scholz, oder Marco Goecke sind, um nur einige wenige aus der großen Zahl zu nennen, ist freilich kein Zufall, denn in Stuttgart gibt die Noverre-Gesellschaft, die 1958 gegründet wurde, seit 1961 Tänzern Gelegenheit, selbst Choreographien zu kreieren und aufführen zu lassen. In diesem Jahr haben sieben TänzerInnen die Chance ergriffen, und weil die Aufführung coronabedingt nicht vor Publikum stattfinden kann, ist sie erstmals weltweit zu erleben, als Video on Demand: Junge Choreographen.

Jessica Fyfe: Peace Apart. Tänzer: Jessica Fyfe, Moacir de Oliveira © Stuttgarter Ballett

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Vom Titel her gedacht: Offenbachs Hoffmanns Erzählungen an der Zürcher Oper

Mit Happy Ends hatte Jacques Offenbach seine Probleme. Bei ihm will Orpheus sich gar nicht in die Unterwelt begeben, um seine Eurydike zurückzuholen, und ein glückliches Ende ist dem Paar auch nicht beschieden. Auch Ritter Blaubart geht nicht gerade harmonisch aus, und in seiner einzigen Oper Hoffmanns Erzählungen scheint das Böse zu siegen, so zumindest lässt das lediglich skizzierte Finale vermuten, Offenbach starb vor Vollendung des Werks. Regisseur Andreas Homoki sieht das in seiner Inszenierung am Züricher Opernhaus anders.

Omer Kobiljak, Saimir Pirgu, Andrei Skliarenko, Yannick Debus, Statistenverein am Opernhaus Zürich. Foto: Monika Rittershaus

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Getanzte Musik: Beethoven-Ballets am Stuttgarter Ballett

Mit seinen Geschöpfen des Prometheus schrieb Ludwig van Beethoven zwar ein abendfüllendes Ballett, und seine siebte Sinfonie war für Richard Wagner die „Apotheose des Tanzes“, dennoch findet sich Beethovens Musik selten auf der Ballettbühne, sieht man einmal von Uwe Scholz ab, der immerhin die ganze siebte Sinfonie in ein Ballett verwandelte. Dennoch konnte das Stuttgarter Ballett jetzt einen reinen Beethovenabend realisieren mit zwei Klassikern von Altmeister Hans van Manen und einer Uraufführung von Mauro Bigonzetti: Triple Bill – Beethoven Ballets.

Martí Fernández Paixà, Timoor Afshar, Clemens Fröhlich, Ciro Ernesto Mansilla, Rocio Aleman, Veronika Verterich, Agnes Su, Alicia Garcia Torronteras © Stuttgarter Ballett

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Wie im Film: Rossinis Il Signor Bruschino an der Bayerischen Staatsoper

Dass ein Opernregisseur während der Ouvertüre einen Film abspulen lässt und darin nicht selten seine eigene Vorgeschichte der Handlung präsentiert, ist inzwischen fast schon gang und gäbe, und auch dass während der Oper Filme über eine Leinwand flimmern. Damit freilich begnügte sich Regisseur Marcus H. Rosenmüller nicht. In seiner Inszenierung von Rossinis Il Signor Bruschino an der Bayerischen Staatsoper, deren Premiere im Internet als Stream zu sehen war, prägt die Filmästhetik das ganze Bühnengeschehen.

Josh Lovell (Florville), Emily Pogorelc (Sofia), Orchester der Bayerischen Staatsoper © Wilfried Hösl

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Die Tücken des Streamings: Die Premierenübertragung von Verdis La Traviata aus der Staatsoper Wien

Auch wenn die Opernhäuser noch geschlossen sein müssen, geht der Opern- und Ballettbetrieb weiter, reduziert zwar vor leeren Häusern, aber mit Liveaufführungen und Premieren, und konfrontiert den Zuschauer mit einer neuen Ästhetik. Natürlich ist der Klang im Opernhaus dem aus dem Lautsprecher des Heimkinos vorzuziehen, dafür aber ist der Betrachter durch die Kameraperspektiven dem mimischen und gestischen Geschehen sehr viel näher und er sieht Details, die vom festen Platz im Zuschauerraum weniger präsent sind. Bei der Traviata-Premiere an der Wiener Staatsoper freilich, die man per Streaming im Internet verfolgen konnte, war dieses Vergnügen eingeschränkt.

Pretty Yende © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

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Musik tanzt: Mozarts Gran Partita als Inspiration für einen Ballettabend an der Opéra nationale du Rhin

Dass aus einem Schauspieler ein guter Regisseur wird, ist keine Selbstverständlichkeit und auch eher die Ausnahme. Ganz anders in der Welt des Tanzes. Die meisten großen Choreographen fingen als Tänzer an, ob sie nun John Neumeier heißen, Uwe Scholz oder Marco Goecke. Insofern ist ein Ballettdirektor gut beraten, wenn er Tänzern mit choreographischen Ambitionen Möglichkeiten hierfür einräumt. Bruno Bouché, der Leiter des Balletts der Opéra nationale du Rhin, hat nun sieben jungen Talenten seiner Truppe die Aufgabe gestellt, zu jeweils einem Satz von Mozarts Gran Partita ein Tanzstück zu kreieren.

Christina Cecchini. Screenshot vom Stream

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