Er ist wohl das Weihnachtssymbol schlechthin – der Tannen-, Christ- oder auch Weihnachtsbaum. Theodor Storm hat ihm ein verherrlichendes Denkmal gesetzt. Allüberall auf den Tannenspitzen, so verkündet bei ihm Knecht Ruprecht, sah er goldene Lichtlein sitzen. Das ist der Weihnachtsbaum in all seiner Lichterpracht. Doch Storm konnte dieses Loblied auf den Baum nur singen, weil er in Husum saß, im protestantischen Norden. Im Süden hätte er ein anderes Bild finden müssen, wie eine Ausstellung mit Weihnachtsbräuchen im schwäbischen Raum im Wasserschloss Glatt zeigt.
Christbaum mit historischem Baumschmuck, Foto: HP Kammerer, Rottweil
Als geradezu heidnisch verurteilte man im Süden den Brauch, zur Weihnachtszeit erst immergrüne Zweige, dann einen ganzen Baum ins Wohnzimmer zu stellen, und solche Töne hörte man nicht nur von katholischer Seite. Ein protestantischer Straßburger Pfarrer verdammte den Brauch 1642 noch als „Abgötterey“. Doch der Baum setzte sich durch, anfangs nur mit Leckereien behängt, ab dem 17./18. Jahrhundert auch mit den heute unverzichtbaren Lichtern. Der Verdacht auf heidnisches Brauchtum ist allerdings nicht ganz von der Hand zu weisen, denn in früheren Zeiten glaubte man, Tannenzweige in den Raunächten, also der Zeit „zwischen den Jahren“, bewahrten Haus und Bewohner vor Schaden. Doch dieser geistige Hintergrund wich alsbald der Vorstellung, mit dem Weihnachtsbaum das ideale Symbol zur Weihnachtsfeier zu haben. Und auch beim Baumschmuck haben sich längst Symbole eingeschlichen, die mit der eigentlichen Weihnacht nichts zu tun haben. Da kommt der Nikolaus auch mal im Flugzeug daher.
Der Siegeszug des anfangs so verdächtigen Baums war nicht aufzuhalten. Vor allem in der großen Zeit des Bürgertums war er unverzichtbarer Teil des Festes, im 20. Jahrhundert zunehmend auch im katholischen Bereich.
Mittelschwäbische Landschaftskrippe mit geschnitzten Figuren, vorwiegend 2. Hälfte 19. Jahrhundert, Foto: Bernhard und Ingeborg Rüth
In katholischen Landen war dagegen seit Jahrhunderten das Weihnachtssymbol schlechthin die Weihnachtskrippe. Anfangs hatte sie ihren angestammten Platz in der Kirche, doch zunehmend wurde sie verbürgerlicht. Das hatte Auswirkungen auf die Erscheinungsform. Waren die eher öffentlichen Krippen große Szenerien mit fast realistisch gestalteten Landschaften wie dem Krippenberg, besetzt mit echtem Moos, schrumpfte die Krippe zum Zimmerformat, sie wurde handlich bis hin zum Buchformat. Weit verbreitet war die Kastenkrippe, die den Vorzug hatte, dass sie nur einmal in einem mehr oder weniger großen Kasten aufgestellt werden musste und dann jedes Jahr „gebrauchsfertig“ zur Verfügung stand.
Das bedeutete natürlich einen Verlust an Pracht und Opulenz, die vor allem im Barock gepflegt wurden, als die Krippen regelrechte Theaterszenen waren, in denen alles simultan geschah: neben der eigentlichen Geburtsszene die Vorgeschichte mit Mariä Verkündigung und auch schon das Nahen der Hl. Drei Könige. Selbst die Flucht nach Ägypten kann da bereits angedeutet werden. In den kleineren Hauskrippen dagegen wurde derlei Szenen nacheinander mit immer anderen Figurenkonstellationen dargestellt.
In einer zunehmend säkularisierten Welt geriet die Krippe ein wenig in den Hintergrund. Heute findet sie sich keineswegs mehr in jedem Haushalt. Der Baum muss reichen. Aber die Krippenkultur ist nicht ausgestorben. Der Malerpfarrer Sieger Köder hat Weihnachtsfiguren entworfen, und auch die Moderne Kunst ist in die Krippenästhetik eingezogen. Eine Chromstahlkrippe von Peter Riolini zeigt zwar immer noch das bekannte Figurenpersonal, aber hergestellt aus abstrakten Maschinenteilen. Und der Stern über der Krippe verweist darauf, dass mit der Geburt Christi letztlich auch schon seine Passion eingeleitet wird. Der Stern ist streng genommen eine Dornenkrone aus großen Baunägeln.
Aber nicht nur Baum und Krippe prägten die schwäbische Weihnacht. Dazu zählt auch die Verherrlichung des „Christkindes“ allein, ohne Geburt und Engel.
Salzburger Loretto-Kindl aus dem schwäbischen Raum, , Ende 18. Jahrhundert, Foto: HP Kammerer, Rottweil
Besonders beliebt waren die nach dem Kloster Loreto benannten Loreto-Kindl, Christusfiguren in kostbaren Gewändern. Das Gegenstück dazu sind die Fatschenkinder, deren Körper aus einem Drahtgeflecht bestehen, das mit Stoff umwickelt wurde. Darüber ragt dann das Köpfchen hervor.
Doch auch dieser Brauch gehört der Vergangenheit an. Die erhaltenen Figuren sind kostbare Sammlerstücke. Geblieben ist als dominantes Weihnachtsutensil: Der Tannen-, Christ-, oder Weihnachtsbaum mit seinen „grünen Blättern“.
„Weihnachtsbräuche und Weihnachtskunst im schwäbischen Raum“, Schloss Glatt bis 4.2.2018. Katalog 127 Seiten, 14.90