Prometheus hatte den Menschen das Feuer und damit Energie und Licht gebracht, beides aber sahen die Götter als ihr Eigentum an. Den Menschen war eine Existenz im Schattenreich zugewiesen, wie das Höhlengleichnis von Plato nahelegt. Das Resultat: Sie ließen den Missetäter an einen Felsen ketten, und dort kam jeden Tag ein Adler und fraß ihm ein Stück seiner Leber weg, die in der Nacht wieder nachwuchs. Hätte der Rottenburger Künstler in derselben Zeit gelebt, dann hätte er möglicherweise ein ähnliches Schicksal gehabt, denn Aupperle bringt zwar nicht Feuer unter die Menschen, sondern nur Licht, das aber in vielfältiger Form und seit Jahren.
Archiv für den Monat: Januar 2018
Psychodrama im Dorfmilieu: Bellinis La Sonnambula an der Oper Stuttgart
Es könnte ein Drama in einem Kitschroman aus der Alpenwelt sein, in dem der Held der Angebeteten unter Gefahr, sein Leben aufs Spiel zu setzen, einen Enzian pflückt, die Nebenbuhlerin die Heldin fast in den Tod treibt und am Ende doch alles glücklich ausgeht: Bellinis 1831 uraufgeführte Oper La Sonnambula lässt kaum ein Handlungsklischee aus, brilliert aber mit Koloraturen und hochdramatischen Ausbrüchen, die freilich erst von einer Callas wieder für die Opernbühne des 20. Jahrhunderts entdeckt wurden. Dass Jossi Wieler und Sergio Morabito, die bekannt sind für ihre genaue Lektüre der Partitur und eine fast tiefenpsychologische Auslegung der Figuren, nicht diese plakative Vordergrundhandlung auf die Bühne bringen, versteht sich von selbst.
Ein Leben in der Farbe: Karl Schmidt-Rottluff im Kunstmuseum Ravensburg
Sie wollten die neue Generation ansprechen, die Jugend und die im Akademismus erstarrte Kunst erneuern – die Künstler, die sich unter dem Namen Brücke zusammenschlossen. Das stieß auf Ablehnung, ihre Bilder wurden zum Teil angespuckt, doch letztlich hatten sie damit ihr Ziel erreicht: die Menschen aufzurütteln und zu irritieren, mit kräftigen, „unnatürlichen“ Farben, Motiven, die in der braven Bürgerwelt Anstoß erregen mussten, mit einer freien, spontanen Malweise. Der Name stammte von einem der Gründungsmitglieder, Karl Schmidt-Rottluff, der von seinem Malduktus her ganz ins Programm der Expressionisten passte und doch einen Eigenweg beschritt, wie jetzt eine Ausstellung im Kunstmuseum Ravensburg zeigt.
Plädoyer für den Zweifel: Das 1. Evangelium von Kay Voges am Schauspiel Stuttgart
Das Abendmahl, die Fußwaschung, der Judaskuss, die Geißelung, Kreuzigung – die Passion Christi hat sich fest ins kulturelle Gedächtnis der Christen eingeprägt und das mit ganz konkreten, durch die Kunstgeschichte gefestigten Bildern – das Abendmahl durch Leonardo da Vincis Wandgemälde, die Pietá durch Michelangelos Steinplastik, die Kreuzigung durch Matthias Grünewald. Doch gibt es auch andere, unkonventionelle Bilder derselben Geschehnisse, so schuf Francis Bacon mit seinem Kreuzigungstriptychon ein Szene der körperlichen Gewalt schlechthin. Der Regisseur Kay Voges hat dieses Phänomen kultureller ikonographischer Festlegung und Offenheit zum Thema seiner Passionsgeschichte gemacht. Am Schauspiel Stuttgart inszenierte er Das 1. Evangelium, mithin also das des Matthäus.
Wehmutvolle Bilder einer besseren Welt. „Begegnungen“ beim Stuttgarter Ballett
In den USA polarisierte der Vietnamkrieg die Gesellschaft, und die Hippiebewegung suchte Liebe statt Krieg. In Deutschland revoltierten die Studenten in den späten 60er Jahren an den Universitäten gegen den Muff von tausend Jahren unter den Professorentalaren, und die RAF sorgte mit Mordanschlägen für Angst vor Terror von links. In dieser Zeit schufen zwei der renommiertesten Choreographen Ballette, die im Nachhinein wie ein Gegenentwurf zur Realität wirken. In den USA gestaltete Jerome Robbins 1969 eine Art idyllische Reminiszenz an schönere Zeiten mit seinen Dances at a Gathering und in Stuttgart präsentierte John Cranko mit seinen Initialen R.B.M.E. ein Plädoyer für Freundschaft und Kollegialität. Das Stuttgarter Ballett hat in seiner neuesten Produktion beide zu einem eigenen Abend verbunden: Begegnungen.
Jerome Robbins, Dances at the Gathering
Tänzer: Veronika Verterich, Friedemann Vogel © Stuttgarter Ballett
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Ein katholisches Signal in protestantischen Landen: Der Meister von Meßkirch in der Staatsgalerie Stuttgart
Sie haben berühmte Kunstwerke geschaffen und sind doch unbekannt, jene mittelalterlichen Maler, die nach ihren Hauptwerken benannt werden, als „Meister“ etwa „des Aachener Altars“. Kein Wunder, galten Maler im Mittelalter doch nicht als Künstler, gar als Genies, sondern als Handwerker, signierten daher ihre Werke nicht und haben mit ihnen doch einen festen Platz in der Kunstgeschichte, wie etwa der Meister von Meßkirch, benannt nach seinem Hauptwerk, der Ausgestaltung der Martinskirche in Meßkirch. Die Staatsgalerie Stuttgart widmet ihm nun eine große, in deren Zentrum der Bilderschmuck von St. Martin steht, kein leichtes Unterfangen, denn die Bildtafeln befinden sich mit Ausnahme des großen Dreikönigsbildes längst nicht mehr an ihrem ursprünglichen Ort.
Die Anbetung der Heiligen Drei Könige, Meßkirch, Pfarrkirche © Erzbischöfliches Ordinariat Freiburg i. Br., Aufnahme: Michael Eckmann
Nicht nur illustriert – Picassos Kunstbücher in Göppingen
In der Regel führen sie ein Nischendasein, dabei müsste ihnen eigentlich ein großes Publikum sicher sein: Bücher, die von Künstlern gestaltet wurden, denn selten ist das Spektrum eines Genres, um nicht gleich von einer Kunstgattung zu reden, derart groß wie in dem Fall, da sich ein Künstler dem eigentlich dem Lesen vorbehaltenen Kommunikationsmedium widmet. Das konnte, wie jahrhundertelang kultiviert, in Form von Illustrationen geschehen, das konnte in eigenen Texten bestehen, die mit Bildern versehen wurden, das konnten auch ganz eigene Buchformen sein, wie es die Dadaisten und nach ihnen die Künstler des Fluxus praktizierten. Dennoch sucht man Künstlerbücher in Museen oft vergebens. Die Kunsthalle Göppingen zeigt nun Künstlerbücher eines Mannes, der vielen als Inbegriff des Künstlers des 20. Jahrhunderts schlechthin gilt, Pablo Picasso.
Der Alltag als Kunst: Ein Schriftsteller erkundet die Kunsthalle Göppingen
Mit einer Günther Uecker-Ausstellung fing es an, das Leben der Kunsthalle Göppingen, anno 1989 in einer Stadt, in der Kunst bis dahin allenfalls im Foyer der Stadthalle zu sehen war. Seither gibt es also einen eigenen Kunsttempel, wenn auch in einer Gegend, in der man derlei nicht unbedingt suchen mag. Doch der Ort entwickelte Leben, Kunst von heute, Avantgarde, oft noch ehe eine documenta in Kassel auf einen Künstler aufmerksam wurde. Nun konnte auch noch ein Literaturstipendium eingerichtet werden, benannt nach einem Dichter, der Göppingen nie zu Gesicht bekommen hat: Rainer Maria Rilke, und der erste Stipendiat, Kai Bleifuss, widmete sich in einem Buch sinnigerweise dem Genius loci, der Kunsthalle, wenn auch nicht der Kunst.
Vom Standesvertreter zum Individuum: Das Kind in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts
In der Renaissance vertreten sie ihren Stand. Kinder als Individuen kennt die bildende Kunst Jahrhunderte hindurch nicht. Erst die Niederländer entdecken das Kind als solches, zeigen ese auch beim Spielen, doch meist in der Gruppe, als Einzelbildnis bleibt es Rarität. Galten Kinder dem Adel als Symbol der Weiterführung des Geschlechts, so dem Bürgertum im 19. Jahrhundert als Zubehör zur Familie wie die Eltern und Großeltern. Erst das 20. Jahrhundert würdigt das Kind als eigenständiges Wesen, bis hin zur Schnappschusskultur unserer Tage, wie eine Ausstellung im Museum Biberach zeigt.
Johann Friedrich Dieterich, Baroness Marie von Maucler und Baron Emile von Maucler