Archiv für den Monat: Juli 2017

Die Königin an der Lagune – Künstler von heute und Venedig

Die Zahlen sprechen für sich: 30 Millionen Touristen besuchen Venedig pro Jahr, man könnte auch sagen sie überfallen die Stadt an der Lagune, und trotzdem hat sie nichts von ihrer Faszination verloren. Noch immer ist sie die Serenissima, ein Traum aus Licht und Wasser und natürlich märchenhafter Architektur, ob beim Dogenpalast, einem der bedeutendsten Profanbauten der Gotik, oder bei der barocken Kirche Santa Maria delle Salute, die aus Anlass der Pest errichtet wurde, denn auch das gehört zu Venedig: die Schattenseite, der drohende Verfall – kein Wunder, dass sich Künstler seit Jahrhunderten von dieser Stadt angezogen fühlten, bis heute, wie eine Ausstellung in Ochsenhausen zeigt.

Joachim Elzmann, Venedig, 2014

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Wie viele Ichs hat der Mensch? Paul Austers Meisterwerk 4321

Er ist ein Meister der fiktiven Biographie. Wer einen Roman von Paul Auster aufschlägt, darf in der Regel erwarten, nicht einfach nur einen Helden samt seiner Lebensgeschichte vorgeführt zu bekommen; meist suchen seine Figuren Alternativbiographien, reisen quer durch den nordamerikanischen Kontinent, verfolgen die Lebensspuren anderer Figuren. Paul Auster hat in seinen Romanen das Phänomen „Leben“ in allen Facetten studiert, manchmal in der Tradition des realistischen Erziehungsromans, manchmal mit geradezu surrealer Künstlichkeit. So trug ein Roman den Titel Das Buch der Illusionen. Jetzt hat er einen Roman geschrieben, der alle seine bisherigen Werke übertrifft, und zwar mit über 1200 Seiten nicht nur vom Umfang her.

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Neue Kunst für neue Kunden – amerikanische Druckgraphik vor 50 Jahren

Auf den ersten Blick erkennbar sollte sie sein, leicht verständlich, der Alltagswelt verhaftet – die Pop Art revolutionierte den Kunstbegriff: Abkehr von allem Elitären, Verherrlichung des Alltags, vor allem aber eine Kunst für alle. Kein Wunder, dass die Pop-Künstler vor allem die Druckgraphik schätzten, die davor in den USA kaum eine Rolle gespielt hatte. Mit ihr ließ sich Kunst vervielfältigen, einem großen Publikum zugänglich und vor allem erschwinglich machen. Eine Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart zeigt, dass sich dieser „Great Graphic Boom“ beileibe nicht auf diese Kunstströmung beschränkte.

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Faszinierend vieldeutig: Die Sammlung Klein

Es gibt verschiedene Arten, Kunst zu sammeln. Da sind auf der einen Seite die Spezialisten, sie widmen sich ganz einer Epoche, einer Kunstgattung oder -strömung wie etwa die Sammlung Kraft, die sich ganz auf die deutsche Pop Art konzentriert und derzeit in der Städtischen Galerie in Villingen-Schwenningen zu sehen ist. Und es gibt jene Sammler, die aus innerer Neigung Einzelwerke sammeln. So das Ehepaar Klein, dessen Sammlung derzeit in einer Auswahl im Kunstmuseum Stuttgart präsentiert wird. Die Gefahr einer solchen Ausstellung besteht darin, dass der Besucher mit einer divergenten Vielzahl von Werken konfrontiert ist, die ausschließlich die Vorlieben der Sammler verraten. Das trifft in diesem Fall durchaus zu, und doch hat das Kunstmuseum diese Gefahr souverän vermieden durch eine raffinierte Hängung und die Tatsache, dass von den Künstlern jeweils mehrere Werke ausgestellt werden.

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Falsch und doch echt. Jim Avignons „Covermalerei“

Es gibt viele Formen der Nachahmung. Die perfideste ist die Fälschung, die perfekte Imitation eines Originals, die als Original ausgegeben wird. Ein Plagiat ahmt das Original nur nach, gibt aber nicht die Quelle an, ein Zitat greift nur Elemente eines Originals auf und spielt oder argumentiert damit, ein Remake ist eine Neuversion eines Originals durch den ursprünglichen Künstler, ein Cover die Neuversion eines Musikoriginals durch einen anderen Künstler. Für die Städtische Galerie in Böblingen hat der Berliner Künstler Jim Avignon Letzteres angefertigt: Coverversionen nicht älterer Musikstücke, sondern älterer Gemälde: Neo – interpretiert.

 

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Surrealer Liebeswahn. Edison Denisovs Der Schaum der Tage an der Oper Stuttgart

Boris Vian war ein Tausendsassa: Französischer Chansonnier, Jazztrompeter, Romancier, Dramatiker – und stets sorgte er für Aufsehen, weil er gegen alle Konventionen verstieß. 1947 erschien sein Roman „Der Schaum der Tage“ – damals kaum beachtet, zählt er heute zu den Kultromanen der französischen Literatur des 20. Jahrhunderts – ein Roman, in dem sich Fantasy, Comic und Satire auf den Existentialismus mischen. 1981 verarbeitete der russsische Komponist Edison Denisov den Roman zu einer Oper, die allerdings nur selten aufgeführt wurde. Denisov zählte zu den Avantgardisten unter den russischen Komponisten, daher blieb ihm die Anerkennung des sozialistischen Regimes versagt. Vor fünf Jahren hat sich der Intendant der Stuttgarter Staatsoper, der Regisseur Jossi Wieler, zusammen mit seinem ständigen Co-Regisseur Sergio Morabito des Stoffs angenommen. Jetzt ist die Oper wieder im Repertoire.

Mitglieder des Kinderchores der Oper Stuttgart. Foto: A.T.Schaefer

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Grenzüberschreitungen – Wolfgang Flad und Jürgen Elsner in Bad Waldsee

Künstler arbeiten mit Materialien, und ihre Arbeit folgt Gesetzen, die die Materialien auferlegen. So entstehen Tafelbilder in der Regel durch Malerei mit Ölfarbe auf Holz oder Leinwand, und schon diese Malgründe erfordern einen unterschiedlichen Farbauftrag, hinzu kommt, dass die zähflüssige Ölfarbe der malenden Hand andere Widerstände entgegenbringt als etwa die moderne Acrylfarbe oder gar die transparente Aquarellfarbe. Der Bildhauer arbeitet mit Stein, Holz oder Stahl – schweren Materialien, statisch, in sich ruhend. Künstler können mit diesen Gesetzlichkeiten arbeiten. Zwei Ausstellungen in Bad Waldsee zeigen, dass man auch gegen sie arbeiten kann.

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Molières Menschenfeind als Revue am Schauspiel Stuttgart

Die falsche Haltung ist bei Molière in der Regel schnell zu erkennen: Geiz, Hypochondrie oder der Wunsch, vornehmer zu wirken, als man ist – Molière ist ein Meister in der Bloßlegung grundlegender menschlicher Schwächen. Nicht so bei seinem 1666 entstandenen Menschenfeind. Hier ist die von höflicher Schmeichelei und Speichelleckerei geprägte vornehme Gesellschaft ebenso Gegenstand der Kritik wie der Menschenfeind Alceste, der stur absolute Wahrhaftigkeit über zwischenmenschliche Beziehungen setzt, wobei Alceste für seine Zeitgenossen wohl sehr viel lächerlicher wirkte als auf die späteren Generationen, schließlich attestierte ihm bereits Goethe eine gewisse Tragik. Für das Schauspiel Stuttgart entdeckte Wolfgang Michalek eine ganz neue Dimension.

Birgit Unterweger (Célimène), Christian Czeremnych (Alceste). Foto: Björn Klein

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Tierisch menschlich: 400 Jahre Tier und Mensch in der Kunst

Sie werden ausgebeutet als Arbeitstiere, hingemetzelt als Schlachtvieh und gehätschelt als Schoßhündchen – das Verhältnis des Menschen zum Tier ist zwiespältig: Mal wird es in Massen gehalten, mal zärtlich verwöhnt als Kindersatz. Es hat sich viel geändert im Lauf der Geschichte, in diesem Verhältnis aber offenbar wenig; es hätte mehr sein können, wenn es nach den Künstlern gegangen wäre, wie nun eine Ausstellung im Kunstmuseum Ravensburg zeigt.

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