Archiv für den Monat: Februar 2016

Bizets Amour fou als Albtraum an der Oper Stuttgart

Bizets „Carmen“ leidet am Postkartenklischee ihrer Rezeptionsgeschichte. Bizets Titelfigur scheint festgelegt auf die selbstbewusste Frau, die Verführertin schlechthin, ja sogar den Vamp – eine Vorläuferin von Alban Bergs Lulu. Regisseur Sebastian Nübling scheint vordergründig diesem Klischee zu folgen, und doch bricht er es zugleich auf. Er niszeniert nicht die tragische Liebesgeschichte des in die hübsche temperamentvolle Frau vernarrten Sergeanten Don José, er inszeniert all jene Männerträume, die zu dem Zerrbild dieser Carmen geführt haben.

Carmen von Georges Bizet in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln Wiederaufnahme 21. Februar 2016 Musikalische Leitung: Marc Soustrot, Willem Wentzel Regie: Sebastian Nübling Bühne und Kostüme: Muriel Gerstner Licht: Gérard Cleven Video: Gabriele Vöhringer Chor und Kinderchor: Christoph Heil Dramaturgie: Xavier Zuber Auf dem Bild: Luis Hergón (Surplus),  Erin Caves (José) Foto: A.T. Schaefer

Luis Hergón (Surplus), Erin Caves (José). Foto: A.T. Schaefer

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Eine Künstlerin zwischen Heimat und Moderne – Gabriela Oberkofler

Bei Heimatkunst rümpft man gern die Nase: Man denkt an Zopffrisuren, Trachtenfeste, Bilder mit röhrenden Hirschen; sie gilt als rückständig, weltfern, hinterwäldlerisch, Schriftsteller wie Ganghofer oder Anzengruber fallen einem ein. Wenn Künstler von heute sich dem Thema Heimat zuwenden, dann nicht selten ironisch, distanziert. Nicht so Gabriela Oberkofler. Die in Stuttgart arbeitende Künstlerin stammt aus einer Bergbauernfamilie in Südtirol und beherrscht alle Kunstmittel – traditionelle wie die Zeichnung ebenso wie moderne, etwa Performance und Video. Ihre Arbeiten kreisen um Themen wie Heimat, Fremde, Reisen – und immer wieder Natur. In der Kunsthalle Göppingen zeigt sie Zeichnungen und Installationen.

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Zwischen Werden und Vergehen. Die Kunst des Joseph Bücheler

Gelegentlich kann man hoch oben in Baumkronen seltsame Gebilde entdecken: Sie sehen wie weißlich-gräuliche alte Stoffe aus und erinnern an Vogelschwingen oder auch an Grabtücher. Das sind Arbeiten des 1936 in Wiesbaden geborenen Joseph Bücheler und stammen aus Papier, Weidenstöcken, Graphit und Asche.

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Eislinger Kreisel Beflügelt, 2003. Foto: Michael Flaig © VG Bild-Kunst Bonn 2016

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Wenn aus Frauen Hyänen werden: John von Düffels Antikenstück in Stuttgart

Welche Dramatik! Eine halbe Stunde lang liefern sich zwei Frauen mit Wort und Mimik einen Kampf bis aus Blut – Mutter und Tochter. Auf der einen Seite Klytaimnestra, die ihren Gatten Agamemnon ermordet hatte, um mit ihrem Geliebten Aigisthos gemeinsam als Ehepaar auf dem Thron zu sitzen, auf der anderen ihre Tochter Elektra, die nur ein Ziel hat, den Mord an ihrem Vater zu rächen. Solche Charaktere und Konstellationen sollte erst zwei Jahrtausende nach Euripides, Sophokles und Aischylos ein Shakespeare wieder auf die Theaterbühne bringen mit einem Ehepaar Macbeth, das aus Ehrgeiz vor keinem Mord zurückscheut.

Orest. Elektra.  Frauen von Troja  nach Euripides, Sophokles und Aischylos in einer Bearbeitung von John von Düffel Stuttgarter Fassung von Stephan Kimmig 20. Februar 2016 Regie Stephan Kimmig Regie: Stephan Kimmig Bühne: Katja Haß Kostüme: Kathrin P

Klytaimnestra: Astrid Meyerfeldt.  Foto: Conny Mirbach

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Natur abstrakt – Claudia Thorban und Josh von Staudach

Abstrakte Malerei und gegenständliche Darstellung scheinen Widersprüche, wie sie größer nicht sein könnten – die eine losgelöst von jeder Welthaftigkeit, die andere ohne Verhaftung in der bekannten Welt nicht vorstellbar. Und doch können die Grenzen zwischen fließend sein. Das Foto einer Waldlichtung, am Computer manipuliert, kann zur abstrakten Zeichnung mutieren wie bei dem Fotografen Josh von Staudach, und in einer grasgrün bedruckten Glasscheibe kann man unschwer das Abbild einer Wiese sehen wie bei Claudia Thorban.

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Groß und leicht zugleich – Kunst aus Natur von Angela M. Flaig

Skulpturenausstellungen stellen Organisatoren und Künstler nicht selten vor logistische Probleme: Skulpturen sind schwer, es sei denn es handelt sich um Kleinplastiken, denen in Fellbach eine eigene Triennale gewidmet ist. Auch die Arbeiten der Rottweiler Künstlerin Angela Flaig sind voluminös, nicht selten zwei Meter hoch, und auch sie bereiten bei Ausstellungen Probleme – allerdings anderer Art als Plastiken aus Stein oder Bronze, denn Angela M. Flaigs Arbeitsmaterial sind Samen. Man hält unwillkürlich den Atem vor ihnen an, denn man muss befürchten, dass sie sich beim geringsten Luftzug in ihre Bestandteile auflösen.

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Distelsäule 2015 © VG Bild-Kunst Bonn 2016

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Kunst im Auge des Betachter. Das Panoptikum von Jürgen von Ulardt und Dieter Rautenberg

Spätestens seit Marcel Duchamp kann streng genommen alles zur Kunst erklärt werden. Als der Franzose 1917 in den USA ein handelsübliches Pissoir für eine Ausstellung einreichte, wurde er zwar abgelehnt, stieg aber zum Medienereignis auf – und schrieb Kunstgeschichte. Was fängt in einem solchen Kunstjahrhundert ein Museumsbesucher an, wenn er an der Wand eines Musentempels einen Feuerlöscher erblickt? Er geht andächtig davor in die Hocke und stellt Fragen – so jedenfalls in einer Collage des Psychologen Jürgen von Ulardt und des Pädagogen Dieter Rautenberg. Beide befragen seit Jahren die Kunstgeschichte quer durch die Jahrhunderte nach einem tieferen Sinn – oder auch Unsinn.

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Eine Einheit aus drei Kontrasten. Der Ballettabend Forsythe/Goecke/Scholz am Stuttgarter Ballett

Ballettdirektoren haben es nicht leicht heutzutage: Die Zeit abendfüllender Handlungsballette ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, vorbei. Wer einen neuen Ballettabend auf die Bühne bringen will, damit er den Namen „Premiere“ verdient, ist auf Fantasie angewiesen, muss sogar eine Art Quadratur des Kreises zustande bringen, muss Arbeiten aus dem Fundus sinnvoll mit Neuem kombinieren, ohne dass ihm der Vorwurf der Beliebigkeit gemacht werden kann. Das schaffte Reid Anderson in der Vergangenheit weitgehend, mit dem neuen „Premierenabend“ ist ihm ein kleines Wunderwerk gelungen, obwohl er nur ein völlig neues Stück zur Verfügung hatte und die beiden Ergänzungen des Abends bereits ein Vierteljahrhundert alt sind.

Siebte Sinfonie Chor.: Uwe Scholz Tänzer/dancers: Alicia Amatriain, Jason Reilly, Ensemble c. Stuttgarter Ballett

Siebte Sinfonie
Chor.: Uwe Scholz
Tänzer/dancers: Alicia Amatriain, Jason Reilly, Ensemble
c. Stuttgarter Ballett

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Liebesfreud ist Liebesleid? Henry Purcells „Fairy Queen“ in Stuttgart

Schon die Uraufführung bereitete Probleme. Henry Purcell hatte zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ eine umfangreiche Musik geschrieben, keine richtige Oper, aber mehr als nur ein wenig Schauspielmusik – teuer also, weil man ein Schauspiel- und ein Opernensemble braucht. In Stuttgart haben sich jetzt beide Sparten der Württembergischen Staatstheater zusammengetan – unter der Regie des gelegentlich als blutrünstiger Berserker bekannt gewordenen Calixto Bieito.

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Foto: Julian Roeder. Württembergische Staatstheater

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Zwischen Abstraktion und Realismus – die Alltagswelt auf den Bildern von Cornelius Völker

Vor 25 Jahren malte Cornelius Völker eine Tafel Schokolade – ein auf zwei Meter groß, dabei extrem ralistisch. Die Stückchen der Tafel schienen sich reliefartig dem Betrachter entgegenzustrecken, die Oberfläche glänzte, sodass man am liebsten gleich seine Zähne in die süße Verführung versenken wollte – hätte diese Schokoladentafel nicht etwas Unnatürliches an sich gehabt. Zu perfekt wirkte der Glanz, zu glatt die Oberfläche. Je länger man vor einem solchen Bild stand, und das Gleiche traf auf andere Bilder dieses Künstlers wie dem einer Damenhandtasche zu, fragte man sich unversehens: Wie hat er das gemacht, wie konnte er das Auge derart täuschen.

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